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Die WahrheitKlassistischer Auftritt als Kaffeetante

Kolumne
von Fabian Lichter

Trotz zahlreicher Benimmratgeber gibt es bisher keine verbindliche Etikette für den Umgang mit Handwerkern in der eigenen Wohnung.

V iel und leidenschaftlich beschwert man sich hierzulande über Handwerker. Unzuverlässig seien sie, heißt es, Fantasiepreise verlangten sie, seit Jahrzehnten werde man von ihnen „belochen und betrochen“. Im Großen und Ganzen also hole man sich mit einem Handwerker zum geplatzten Siphon oder überquellendem „Hygieneporzellan“ (Peter Hein) nur eine weitere Katastrophe ins Haus.

Nun gehöre ich nicht zu jenen Menschen, die sich auf die eigene Ungeschicklichkeit etwas einbilden, die sich schon blaublütig wähnen, nur weil sie zu blöd sind, eine Schraube zu drehen. Im Gegenteil, bis zu einem gewissen Grad übernehme ich derartige Arbeiten gern. Umso ungünstiger die Tatsache, dass ich tatsächlich keinerlei Handwerksgeschick besitze und meine Versuche, Gegenstände zu reparieren, eher heimtückischen Sabotageakten am eigenen Hab und Gut gleichen.

So bin ich stets klaglos dankbar für professionelle Hilfe – mein Problem mit Handwerkern ist ein gänzlich anderes: Wie sich verhalten, sind sie erst einmal in der Wohnung? Gibt es einen Knigge für adäquates Benehmen bei Handwerkerbesuch? Wie auftreten? Wie sich kleiden? Leger verbietet sich, will man die himmelschreiende Überflüssigkeit der eigenen Existenz nicht noch mit drei Ausrufezeichen betonen. Ebenfalls Handwerkerkluft? Als solidarisches Willkommen, im Sinne von „Ich habe noch überlegt, ob ich es selbst mache, aber dann hab ich doch mal bei euch angerufen“? Nächstes Problem: Interaktion. Verfalle ich in die mitdenkende Beobachterrolle? Biete ich ein Kissen für dieses Knie an, das da auf dem Plattenboden kniet? Nein, um Gottes willen, furchtbar!

Serviert man Kaffee? Wenn ja, mit Untertasse oder ohne? Schwierig wird es bei Gleichaltrigen. Der Auftritt als Kaffeetante erscheint hier seltsam bis grotesk, da kann man auch gleich im Ohrensessel sitzen und, ohne zu blinzeln, eine Langhaarkatze streicheln. Lässiger wäre es sicherlich, ein Bier anzubieten. Morgens um halb elf ist aber auch das keine Option und fällt negativ auf den Gastgeber zurück – als klassistisches Anbiedern unter Verwendung uralter Stereotype. Der Handwerker von heute, stelle ich mir vor, ist mindestens vegetarisch, nicht selten straight edge und liest die Zeit, alternativ: Geo.

Nochmals schwieriger wird das Ganze, befindet man sich im Singleappartement, früher schlicht „Studentenbude“ genannt, mit nur einem Zimmer. Die Einrichtung besteht aus einem „Pulp-Fiction“-Poster, einem Bett und mehreren Dingen, die konzentrisch drum herum liegen. Wer nicht für die Dauer der Handwerkerheimsuchung aufs Klo (sofern nicht Ursache des Besuchs) verschwindet, um damit freilich Irritationen anderer Natur hervorzurufen, ist zur Anwesenheit gezwungen.

Ist es höflich, gar erwünscht, sich apathisch in Laptop oder Buch zu versenken? Oder gilt es als bösartige Geringschätzung und Teilnahmslosigkeit? Darf ich hysterisch schreiend aus der Wohnung stürmen? All das könnte ich beim nächsten Mal ja einfach fragen, fällt mir ein.

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1 Kommentar

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  • Ich habe einige Jahre als Handwerker gearbeitet, dabei kam es, vor allem weit draußen auf dem Lande in den alten Bauernkaten, häufiger mal vor, dass sich die Toilette der Kundschaft mitten in der Stube befand, lediglich abgetrennt durch eine Art Duschvorhang, der links und rechts ein großzügiges Blickfeld bot.

    Die, zumeist ältere Kundschaft, wies einen dann in das zu bearbeitende Problem ein und verzog hinter jenen Vorhang, um sogleich damit zu beginnen, geräuschvoll den Darm zu entleeren. Ich fand es dann immer irgendwie ekelhaft, wenn mir zum Abschied die Hand gegeben wurde, schließlich konnte ich sehen, dass dort kein Waschbecken hinter dem Vorhang war.

    Einer setzte sich auch mal, seitlich von mir, wo er mich gut beobachten konnte, auf einen Hocker und blätterte, den Blick abwechselnd auf mich und das Buch gerichtet, in dem Werk "Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes".

    Da ich kein Trinkgeld bekam, nehme ich an, dass ich in irgendeine ungünstige Kategorie eingestuft worden war