Die Wahrheit: Arme Arschlöcher
Meine Existenz als Arschloch prägt mein Leben. Nun bin ich in der bürgerlichen Mitte angekommen und treffe auf andere Arschlöcher.
I ch bin ein Arschloch. Tut gut, das einmal so rundheraus einräumen zu dürfen, frei „von der Leber weg“, wie neulich ein anderes Arschloch formulierte. Mein Talent zum Arschloch war mir schon in die Wiege gelegt, denn meine Eltern waren beide ebenfalls Arschlöcher. Arme Arschlöcher, wohlgemerkt.
Im Kindergarten und später in der Schule gereichte mir dieser Wesenszug zum Nachteil. Ich ließ Mitschüler nicht abschreiben, hänselte Fettsäcke, verprügelte Schwächlinge und versuchte die Zuneigung der Mädchen auf jene altmodische Weise zu gewinnen, die ein besonderes Großarschloch erst kürzlich auf die griffige Formel „Grab’em by the pussy“ brachte.
So fand ich mich bald umzingelt von Leuten, die keine Arschlöcher waren und mich daher recht schnell als Arschloch identifizierten. Dazu gehörten leider auch die Lehrer, feine Altachtundsechziger ohne Tadel, aber mit einem natürlichem Widerwillen gegen Menschen wie mich. In diesem arschlochfeindlichen Milieu war es mir natürlich nicht möglich, meine Talente zu entfalten. Wie auch?
Während die transsexuellen Migrationslesben in meinem Umfeld fröhlich Genderstudien betrieben und Professuren anstreben konnten, blieb mir das gewissenhafte Studium meiner eigenen Obsessionen verwehrt. Wer als weißes Arschlöcherkind aus dem bildungsfernen Klein-arschlochtum in einem Reihen-arschloch aufwächst, wird an der Universität nur selten mit offenen Armen aufgenommen.
Die Folgen waren fatal. Denn nur das erfolgreiche weiße Arschloch gleich welchen Geschlechts gilt als „Leader“ und „Leistungsträger“ mit „Siegeswillen“ und bekommt dafür eines Tages einen goldenen Handschlag von VW oder einen goldenen Bambi von Burda. Arme Arschlöcher wie ich vereinsamen, hocken bei runtergelassenen Jalousien mit runtergelassenen Hosen vorm Rechner und tippen hin und wieder postorthografische Kommentare ins Internet hinein, wenn sie nicht gerade aus dem Internet heraus als „dumme Arschlöcher“ beschimpft werden.
Das schmerzte, bis ich Hilfe bei den „Anonymen Arschlöchern“ fand. Dort lernte ich im Drei-Schritte-Programm zunächst, mir meine Existenz als Arschloch einzugestehen, mit dieser Existenz einverstanden zu sein und zuletzt die meisten anderen Menschen ebenfalls als Arschlöcher zu betrachten – was bedeutet, das wir als schweigende Mehrheit längst in der bürgerlichen Mitte angekommen sind. Verständnisvolle Publizisten nennen uns nicht mehr Arschlöcher, sondern nur mehr „besorgte Bürger“.
Als Arschloch hat man’s nicht leicht, aber seine Ruhe. Damit ist es nun auch vorbei. Neuerdings lauern mir ständig Menschen auf, die mehr über mich und meine Weltanschauung erfahren wollen. Dabei habe ich kaum Weltanschauung, ich fahre auf Sicht durchs Leben und damit sehr gut. Und falls mir doch einmal Zweifel kommen, dann werde ich hoffentlich von Nichtarschlöchern daran erinnert, dass ich nicht zweifeln darf. Weil ich halt ein „Arschloch!“ bin.
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