Die Wahrheit: Pokemon lockt Pädos an
Neues aus Neuseeland: Die Kiwis haben kürzlich den Startschuss für die weltweite Pokemania gegeben. Was zu allerlei monströsen Begebenheiten führte …
W ir hinken ja in allem zwanzig Jahre hinterher und haben seit dem Aramoana-Massaker von 1990 auch keinen einzigen Amoklauf mehr vorzuweisen. Sprengstoffattentäter schon gar nicht. Aber diesmal waren die Kiwis die Ersten: Pokemon Go startete in Neuseeland, Australien und den USA eine Woche vor Deutschland. Da wir dank der Zeitzonen die Frühaufsteher unter all den Ländern sind, gaben wir global den Startschuss auf die Mini-Monster. Dafür dankt uns jetzt sicher niemand mehr, nachdem die Pest sich flächendeckend auf der ganzen Welt verbreitet hat. Aber da wir uns sonst so wenig hervortun, sollte dieser „fun fact“ bei aller landestypischen Bescheidenheit nicht verschwiegen werden.
Wo ich schon beim Angeben bin: Eigentlich sind wir ja so was wie die heimlichen Erfinder von Pokemon Go. „Wir“ sind all die vier Millionen Kiwis, kollektiv stolz und von ungebremstem Erfinderdrang, von denen es einer irgendwie irgendwo geschafft hat. Ja, das kennt man im unpatriotischen Deutschland nicht, wo immer auf allem Guten herumgehackt wird.
Wir dagegen wissen, was wir an unsereins haben, denn so viele haben wir nicht: zum Beispiel Rob Lindeman, Professor an der Universität Canterbury in Christchurch, der um ein Haar vor fünf Jahren eine ähnliche Welle wie Pokemania ausgelöst hätte. Hätte. Egal!
Seine Errungenschaft bestand aus GeoBoids – einer Spiel-App fürs Handy –, die der Computerfachmann mit seinem Team erfand. Das Spiel lockt einen auf die Straße, um dort vogelähnliche Wesen aus einer anderen Galaxie zu finden, die sich auf der Erde verirrt haben und nach Hause wollen. Professor Lindeman traf sich mit Google-Vertretern für Investorengespräche, aber am Ende biss niemand an. Tja, das war’s auch schon. Immerhin haben rund 500 Menschen sich die App runtergeladen. Für Neuseeland fast eine Erfolgsstory.
Erwähnt werden sollte auch der eifrige Gamer aus Auckland, der für Pokemon Go seinen Job als Barista schmiss, um sich Vollzeit dem neuen Hobby zu widmen. Alles begann während eines Urlaubs an der Westküste. Tim Currie ist 24 und hat große Zukunftspläne: Zwei Monate lang will er kreuz und quer durchs Land reisen, um alle 151 Pokemons in Aotearoa einzufangen. Zuletzt hatte er bereits 98. Sein Ziel: von einer Computerfirma in den USA als Spielcoach angeheuert zu werden. Auch er: ein heimlicher Held!
Lasst uns in all dem Jubel über die neue Technik und die erfinderischen Geister Down Under die Schattenseite nicht vergessen. Pokemon lockt Pädophile an. In der Stadtbücherei von Kaiapoi wurden vorige Woche zwei Schwestern, neun und dreizehn Jahre alt, von einem Fremden angesprochen. Er starrte ihnen ins Handy und fragte: „Mögt Ihr Pokemon? Ich kann euch zeigen, wo der ganz besonders seltene Pokemon ist. Wollt ihr mit mir mitkommen?“ Zum Glück lehnten die Mädchen ab. Auf der Sicherheitskamera konnten sie den PokePädo später identifizieren. Noch wird er gesucht. Wer bastelt uns jetzt eine Warn-App?
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