Die Wahrheit: Das bisschen Bisschen
Sich eine Parallelmeisterschaft der kleinsten Länder auszudenken, ist nichts gegen einen Contest mit einem Sprachspiel der besonderen Art.
N ichts ist leichter, als ein Paralleluniversum zu durchmessen. Während irgendwo da draußen, wie zu hören war, eine Europameisterschaft endete, wirbelten wir – Konrad, Frederike und ich – furios in einem eigenen Turnier. Andorra und Zypern spielten mit, Vatikanstadt und Gibraltar, Färöer und San Marino, Grönland und so weiter. Ach ja, die Niederlande traten ebenfalls an. Und Nordkorea, das in unsern Wettbewerb geraten war, als Ehrengast sozusagen anlässlich des fünfzigsten Jubiläums. In der WM-Endrunde 1966 schaffte es Nordkorea bis ins Viertelfinale dank eines Tores von Pak Doo-Ik beim 1:0 gegen Italien.
Unnötig zu erwähnen: Unser Motiv für das Turnier entstammte mitnichten irgendeiner Niedlichkeitsduselei. Die schien zahllose Zeitgenossen ereilt zu haben, die seit Tagen Island und Wales in ihr korrumpierbares Herz geschlossen hatten. Diese Gönnerhaftigkeit lehnten wir ab, zugleich wussten wir um die Qualität ihrer Teams. Zehn Euro hatte Konrad im Wettbüro Ahlers ernsthaft auf Island als Europameister gesetzt, weil deren U-13 oder U-21 neulich überzeugt hatte.
Plötzlich wendete sich das Szenario. Frederike, die ihren zweiten Aperitif mit Sanbitter kippte – ich gebe zu, dieses alkoholfreie Getränk mit, Obacht, Schwarzkarottenkonzentrat schmeckt herrlich –, stoppte den denkwürdigen Contest, den sie selbst erfunden hatte, und verlangte von uns, einen anderen auszutragen. „Ist ganz einfach“, sagte sie, „sonst würdet ihr es ja nicht checken. Also: Jeder Satz beginnt mit ‚Das bisschen, was ich . . .‘ Lieber zwei Beispiele, damit ihr Begriffsstutzer am Ball bleibt, hi, hi: Das bisschen, was ich esse, kann ich trinken. Oder: Das bisschen, was ich singe, kann ich brummen.“
Von Frederike hätte ich Originelleres erwartet. Erstens kannte ich nicht nur den Schnack übers Essen in Theorie und Praxis. Zweitens drohen solche Sprachspiele oder wie man so was nennt, meinen letzten Rest Sprachgefühl zu zerquetschen. Ihr zuliebe jedoch machte ich mit, wählte nun eine gleichsam feminine Variation: „Das bisschen, was ich weine, kann ich lachen“, sagte ich leutselig, ohne zu wissen, was leutselig bedeutet. Nach einer effektvollen Pause legte ich einen nach, erlaubte mir wagemutig einen Schlenker zu Konrad: „Das bisschen, was du flüsterst, kannst du auch brüllen.“
Auftritt Konrad. Der war tatsächlich noch da! „Ich übernehme den Proll-Part“, sagte er und brachte ein schlichtes „Das bisschen, was ich scheiße, kann ich auch kotzen“ zu Gehör. Von Frederike erwartete ich einen Kommentar, doch sie verzichtete. Stattdessen ergänzte sie den Reigen gleich mit einem Trio, recht schematisch, wie ich fand: „Das bisschen, was ich frage, kann ich antworten, meine Herren. Das bisschen, was ich funzle, kann ich leuchten. Und das bisschen, was ich rede, kann ich auch schweigen.“
O, wie bedeutungsvoll. Da griff ich zum Abschluss zu etwas Ähnlichem: „Das bisschen, was ich lese, kann ich auch schreiben.“ Möge es Ihnen nicht so ergehen.
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