piwik no script img

Die WahrheitIch will mein Land nicht mehr zurück

Kolumne
von Jacinta Nandi

Jetzt hassen die Briten schon Polen! Die Rassisten werden auch immer dümmer! Meint die australische Freundin nach der Brexit-Wahl.

E ine australische Freundin ruft an. „Was machst du gerade?“, fragt sie. „Ich verbrenne meinen Reisepass“, sage ich. „Ach!“, sagt sie. Sie lacht fröhlich. „Du solltest das nicht tun, bevor du nicht die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen hast.“

„Ja“, sage ich. „Ich gucke die Nachrichten aus England an und staune! Was ist dort los? Sie hassen Polen! Polen! Leute aus Polen! Wie ausländerfeindlich muss man sein, um sogar Polen zu hassen? Sie sind doch weiß!“

„Ja“, sage ich. „Es ist irgendwie erfrischend, oder? Die Engländer sind plötzlich so ausländerfeindlich, dass sie sogar weiße Ausländer hassen. Die Polen sind doch fleißig und christlich! Weiß und europäisch! Total ruhig, wenn sie im Bus sitzen!“

„Ja“, sage ich. Meine Freundin redet jetzt leise: „Sie sind eigentlich ein bisschen langweilig, oder?“, sagt sie.

„Ja“, sage ich. „Hast du das gesehen, als laminierte Karten verteilt worden sind an Orten, wo viele Polen sind, mit der Botschaft: ‚Haut ab, ihr polnisches Ungeziefer!‘?“

„Ja“, sage ich. „So viel Hass! Sie haben sich so viel Mühe gemacht: Bei leo.org nachgeguckt, wie Ungeziefer auf Polnisch heißt, das dann alles ausdrucken und sogar laminieren lassen! Das ist der blanke Hass.“

„Ja“, sage ich. „Hast du die deutsche Omi, die geweint hat, gesehen? Weil man ihr Hundekacke an die Tür geschmiert hat? Wahnsinn. Hätte echt nie gedacht, dass die Engländer solche total dummen Rassisten sind.“

„Sei fair“, sage ich. „Nicht alle Engländer sind total dumme Rassisten. Manche von denen sind nur sehr, sehr dumm und ein kleines bisschen rassistisch. Manche sind ziemlich dumm und ziemlich rassistisch. Und manche sind sehr dumm und sehr rassistisch.“

Nur sehr dumm und ein kleines bisschen rassistisch trifft auf jeden Fall auf Boris Johnson und David Cameron zu. Boris Johnson, dem eigentlich die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens ziemlich egal war. Mit rassistischen Ideen hat er trotzdem gespielt. Und Cameron? David Cameron hat unser Land gefickt, als ob es ein totes Schwein wäre. Ich denke übrigens, dass dieses Gerücht über Cameron und das tote Schwein wahr ist. Zumindest haben wir jetzt gesehen, dass Cameron die Persönlichkeit dazu hätte – keine Angst vor Risiken, keine Scham und überhaupt keine Würde.

„Vielleicht kommt es gar nicht zum Ausstieg?“, sagt meine Freundin. „Es muss zum Ausstieg kommen“, sage ich. „Sonst gibt’s Bürgerkrieg.“

„Ich will mein Land zurück!“ war eine Parole, mit der die Leave-Kampagne herumspielte. Jetzt sehen sie die Welle des Rassismus und tun so, als ob sie erstaunt sind, dass sie so etwas frei gesetzt haben mit ihrer Hetze. Ich will mein Land aber nicht mehr zurück. Ich will es loswerden.

Petitionen über ein zweites Referendum habe ich nicht unterschrieben. Aber wie wäre es mit einer, bei der Großbritannien aussteigen soll – nicht aus der EU, sondern aus diesem Planeten? Hinaus mit ihm in das Weltall, wo es uns nicht mehr lästig werden kann! Das würde ich unterschreiben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • G'day Jacinta,

     

    ich habe gerade Deine "Geschichte" bei taz.de gelesen und versuche die "Wahrheit" zu verstehen.

     

    Erstens: Warum ruft eine australische Freundin an?

     

    Zweitens: Warum ist ein deutscher Reisepass so wichtig?

     

    Drittens: Siehst Du nur Berlin oder kennst Du auch Dresden?

     

    Und: Was glaubst Du was passiert, wenn Deutschland die gleiche Möglichkeit für ein Referendum hat wie U.K.?

     

    Nur nebenbei, ich bin Deutsch, lebte lange in Berlin und auch in Dresden, weiß auch, dass in australischen Arbeitsverträgen "Rassismus" ein Kündigungsgrund ist.

     

    Hier ein aktueller Artikel von "mondokio": http://www.mondokio.com/headline/australia-blocks-arrival-%E2%80%9Cboat-people%E2%80%9D

     

    Herzliche Grüße aus Sydney,

     

    Steffen

  • Wäre der bessere Leitkommentar gewesen.

     

    Aber welcher Beitrag zum Thema wäre das nicht?

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Nun die Briten scheinen vergessen zu haben, dass es Polen und andere Exilpiloten waren, denen sie den Sieg in der Luftschlacht um England zu verdanken haben...

    • @4845 (Profil gelöscht):

      Wir können auch im Mittelalter Positives und Negatives finden!

      Lass die Vergangenheit ruhen und schaue ins Heute!!!

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Steve Crownforest:

        Wer die Vergangenheit nicht kennt, begreift nicht die Gegenwart und kann die Zukunft nicht gestalten. Und wenn die Briten undankbar sind, dann darf dies auch so gesagt werden!