Die Wahrheit: Die Pub-Schlange
Tagebuch einer Englandfahrerin: Im Barnaby-Country wird magenharte Kneipenkost zum schalen Bier gereicht. Dafür ist der Schmaus umsonst!
D ie spinnen, die Briten, aber bevor sie mit dem Brexit in die Nordsee abtreiben, will man sie schnell noch mal besuchen. Auf zu Freunden, die als Korrespondenten aus dem Vereinigten Königreich berichten! Der Begleiter, der aus Angst vor Dauerregen und Black Pudding noch nie britischen Boden betreten hat und seine Englandkenntnisse von „Inspector Barnaby“ bezieht, freut sich vorsichtig.
Gosh! London empfängt bei Sonne und 23 Grad, die Temperaturgrenze, ab der Briten respektvoll von „Heat Wave“ sprechen. Auf dem Trafalgar Square hüpfen kostümierte Männer zu keltischen Rhythmen, während der Londoner bei schalem Bier Kühlung sucht.
Des Abends laden die Freunde in ihre Lieblingskneipe zu gehobener Pub-Kost, die angeblich auch ein nicht abgehärteter Magen übersteht. Leider wird unser Bus umgeleitet, und der Fahrer erklärt entspannt, dass er auch nicht so recht weiß, wo’s langgeht. Londoner Taxen gehören eindeutig ins Reich der Mythen, und bis uns eines erlöst, betreiben wir im Sonnenuntergang Feldstudien am Straßenrand.
Am Zielort okkupieren von der Heat Wave ausgedörrte Londoner den Pub-Biergarten. Der traditionell entschleunigte Service ist endgültig eingestellt, denn die Bedienung verstärkt die Tresenmannschaft gegen den Ansturm der Durstigen. Es folgen weitere wertvolle Studien im „Queueing“, und als wir nach einer Dreiviertelstunde in der Schlange unser erstes Ale umklammern, erfahren die Weintrinker unter uns, dass die auf der Karte aufgeführten Weine leider nicht geliefert wurden, und man – „I’m really sorry, mate“ – nicht wisse, was gerade so im Angebot sei.
In einem Blitzkriegüberfall erbeuten wir aus dem unbewachten Getränkekühlschrank zwei Erzeugnisse des französischen Erzfeindes, derweil hat ein umwerfend charmanter Knabe, dem der Sieg bei jeder Frisuren- und Tattoo-Weltmeisterschaft gewiss wäre, mehrfach unser Essen zwischen Küche und unserem Tisch hin und her geschleppt. „Still queueing?“, fragt er mitleidsvoll, entpuppt sich als Chefkoch und verkündet kurzerhand „Dinner is on the house!“ Rule Britannia!
Nach erfolgreicher Nahrungs- und Alkoholzufuhr dann Heimfahrt. Über dem Bauch unseres Cabbys spannt der Union Jack. Wo wir denn herkämen? „Germany“ outen sich die Freunde mutig. „Deutschländ!“, tönt es unerwartet begeistert, „all my folks are from there!“ Zuerst habe man ja noch Traditionen gepflegt, „but then came Hitler and everything was Schei-se“. Wir lernen, dass Thatcher auch „Schei-se“ war, und Angela Mörkel … o well!
Kurz vor der Enthüllung, ob er denn nun Brexit yes or no stimme, plagen den Mann plötzlich andere Sorgen, denn wir fahren durch stockdunkles Waldgebiet: „Do you know where I am? I think I’m lost“. Nach Landessitte schließen wir Wetten ab, ich behaupte, wir sind kurz vor Wales, der Begleiter tippt auf „Midsomer“, Schauplatz blutrünstiger Morde in seiner Lieblingsserie. Dann schluckt uns – goodbye Europe, Barnaby hilf! – die Nacht über England.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!