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Die WahrheitAlarm im Oberstübchen

Kolumne
von Leo Riegel

In meiner Wohnung wurden Rauchmelder installiert, die mich fortweg anstarrten. Ein digitales Pulsarmband mit GPS zerstreute meinen NSA-Verdacht.

Z uerst dachte ich mir nichts dabei, als ich Post von dieser Firma bekam. Gemäß der neuen Brandschutzverordnung würden Rauchmelder in meiner Wohnung installiert, der Vermieter sei informiert. Eine Woche später kam der Installateur und erklärte, wie wichtig ein sicheres Brandschutzsystem sei. Ich staunte über die Apparatur, die er aus dem Koffer holte. Sie bestand aus einer „Station“, wie er die geschwungene Halterung nannte, und einer linsenförmigen weißen Scheibe, die frei im Raum schweben konnte. „Falls die Brandursache verborgen liegt – hinter der Kommode zum Beispiel, an einer Stelle, die man nicht gleich sieht.“

„Na ja“, entgegnete ich, „sehen kann der Rauchmelder ja ohnehin nicht.“ Der Mitarbeiter grinste wissend. Jetzt bemerkte ich das Firmenlogo auf der Scheibe, ein durch zwei Dreiecke gebildeter Stern. In seinem Zentrum war ein Auge, das den Blickkontakt zu mir aufrechthielt, egal, wohin das Gerät schwenkte. Ich war beeindruckt. „Und wie sind die einzelnen Melder miteinander vernetzt?“, fragte ich, während er die Station festschraubte, „Mit Ultraschall? Infrarot? Laser?“ Der junge Mann nickte.

Nachdem der letzte Rauchmelder installiert war und ich zwanzig Seiten Einverständniserklärung unterschrieben hatte, verabschiedete sich der Installateur. Ich muss zugeben, dass mir etwas mulmig war, als ich kurz darauf im Sessel ein Buch las. Es irritierte mich, wie die Rauchmelderscheibe stumm über mir schwebte, das Auge mich fortweg anstarrend. In der Küche erwartete mich der dort vorhandene Rauchmelder und folgte mir zum Kühlschrank. Nur mit einem blitzschnell ausgeführten Ablenkungsmanöver gelang es mir, die Wohnung zu verlassen, ohne dass mir die fünf Rauchmelder folgten. Ich ging zu meinem Nachbarn Georg.

Der interessierte sich sehr für das, was ich berichtete. Er witterte üble Machenschaften. Die ominöse Firma sei garantiert mit NSA und Mossad verbandelt. Gewiss sei er kein Verschwörungstheoretiker, aber ganz offensichtlich stecke das internationale Überwachungsjudentum dahinter. Sein Gerede war mir befremdlich.

Ich hielt es für sinnvoll, die nahegelegene Filiale der Rauchmelderfirma aufzusuchen, wo mir ein lustig gekleideter Mitarbeiter Gehör schenkte. „Ja, natürlich! Wir stecken mit der NSA unter einer Decke“, lachte er, „und mit meinem Filzhut greife ich auf Ihre Daten zu, wie?“ Jetzt musste auch ich lachen. Ich klang ja paranoid! Er versicherte mir, meine Sorgen seien unbegründet, und schenkte mir ein digitales Pulsarmband mit GPS-System. Erleichtert verließ ich das Geschäft.

Wir müssen vorsichtig sein, dachte ich auf dem Heimweg, dass wir bei aller berechtigten Kritik am Fortschritt nicht in Hysterie abgleiten und offen bleiben für Veränderung. Einmal zu Hause, erwiesen sich meine Bedenken abermals als unbegründet: Die Rauchmelder hatten mir als Wiedergutmachung einen Bananen-Waldbeeren-Smoothie zubereitet – mein Lieblingsgetränk!

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