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Die WahrheitDes Teufels tollkühner Tiefbautrupp

Kolumne
von Joachim Schulz

Wenn es nach 50 Jahren unvermutet zu klappern beginnt, sind nicht immer natürliche Alterungsprozesse dafür verantwortlich.

T heo zeigte auf meinen Kopf und sagte: „Wenn es irgendwo klopft, dann da drin. Ist ja auch kein Wunder, dass es in deiner Birne langsam anfängt zu klappern, schließlich dürfte sich nach fünfzig langen Lebensjahren darin so manche Schraube gelockert haben.“

Ich fand es absolut inakzeptabel, dass ausgerechnet Theo Anspielungen auf mein Alter machte, schließlich hatte er noch zwei Jahre mehr auf dem Buckel und außerdem hatte sich schon mehrfach gezeigt, dass sein Hörvermögen merklich schwand. „Wer ist denn hier der alte, taube Knacker, hä?“, fauchte ich – aber Theo hob einen Zeigefinger und sagte: „Es heißt nicht taub, es heißt harthörig, wie schon Professor Bienlein bemerkte. Und außerdem habe ich bestenfalls Probleme mit hohen Tönen. Wenn es hier klopfen würde, dann würde ich es auch hören.“ – „Würdest du nicht!“ – „Würde ich doch!“

Ich seufzte und fragte mich, warum wir neuerdings alles mit dem Älterwerden in Verbindung brachten, ganz gleich, ob der eine plötzlich Deep Purple langweilig fand oder der andere ein wachsendes Faible für süße Mixgetränke entwickelte. Vielleicht hatten wir doch ein Problem damit.

Die Klopfgeräuschfrage aber musste geklärt werden. Wir standen an der Theke des Café Gum, waren die letzten Gäste, und Petris, der Gum-Wirt, hatte die Musik schon ausgestellt und räumte die Tische ab. „Pete“, sagte ich, als er mit einem Arm voller leerer Gläser zur Theke zurückkam, „Hörst du das Pochen?“ „Pochen?“, rief er und riss die Augen auf: „Porca Miseria!“ Petris war Grieche, fluchte aber grundsätzlich auf Italienisch, und ich fand, dass das ein sehr schönes Sinnbild für das Zusammenwachsen Europas war.

Er stürzte zu seiner nagelneuen Kaffeemaschine, deren Vorgängerin letzte Woche plötzlich begonnen hatte zu dampfen und zu stampfen und dann von einer Explosion in die ewigen Jagdgründe katapultiert worden war. Er presste, die Augen weiterhin aufgerissen, ein Ohr an die Maschine, dann entspannte er sich und sagte: „Kein Pochen, uff, das hätte noch gefehlt!“ Theo rief triumphierend „Ahaaa!“ und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen.

Pete aber war noch nicht fertig. Er hob die Hand, um Theo zu bedeuten, dass er bitte schön den Schnabel halten möge, und lauschte angestrengt. „Aber du hast recht“, flüsterte er, während er langsam in den hinteren Teil des Cafés schlich, „es pocht. Und zwar … haargenau …“, Pete blieb stehen und zeigte auf den Boden: „Hier!“

In diesem Moment brach ein Stemmeisen von unten durch den Boden. „Madonna mia!“, kreischte Petris: „Der Teufel! Jetzt kommt er uns holen!“ Er fiel in Ohnmacht und auch Theo und ich wichen erschrocken ein paar Schritte zurück. Doch als durch das sich rasch erweiternde Loch drei enttäuscht aus der Wäsche kuckende Männer heraufgekrabbelt kamen, wurde uns sehr schnell klar, dass es sich kaum um des Teufels tollkühnen Tiefbautrupp handelte. Vielmehr sollten wir den Burschen erklären, dass sich die Sparkasse auf der anderen Straßenseite befand.

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