Die Wahrheit: Lasst mich durch, ich bin Doktor
Manchmal ist man dann doch überrascht. Nicht, dass sich Karl-Theodor Maria Nikolaus Kevin Sascha Lobo Jörg Rico Pico Schmico Freiherr von und zu Guttenberg...
.. als der Gerd Postel der deutschen Politik entpuppt, sondern dass ihm der Betrug jetzt wirklich schadet. Man hatte ja schon das Gefühl, "KT" könnte auch einen satanistischen Ritualmord verüben, und man sähe es ihm nach, weil seine Anzüge eben so tippitoppi sitzen. So wie es auch niemanden interessierte, dass er bei seiner Ernennung als Wirtschaftsminister dreist behauptete, er habe Erfahrung in der freien Wirtschaft, unter anderem als Geschäftsführer des "mittelständischen" Guttenbergschen Familienunternehmens, sich dann aber herausstellte, dass es diese Firma nie gegeben hat. Es sei denn, man bezeichnet eine GmbH mit drei Angestellten als "mittelständisch".
Aber nicht nur mit Halbwahrheiten machte er frühzeitig von sich reden. Auch dem Phänomen "Plagiat" fühlte Guttenberg sich schon immer verpflichtet: Wer einmal Bilder vom Wannabe-First-Pärchen Guttenberg mit Fotos von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann - seinem medialen Mentor - und dessen Frau Katja Kessler vergleicht, erkennt sofort: Hier wurde eins zu eins abgepaust. Von der kraftstoffsteuerpflichtigen Frisur der Herren über die Achtzigerjahre-BWL-Studentinnen-Blondierung der Damen bis zur - bei allem aufgekratzten Dauergegrinse - nicht aus dem Gesicht zu tilgenden schnöseligen Überheblichkeit stimmt bei diesem doppelten Doppellottchen alles. Nur dass die Performance bei den Diekmanns allgemein als geschmackloser, nur dürftig durch Geld und Macht kaschierter White Trash gewertet wird, bei der Guttenberg-Kopie jedoch als "jungmodernelegant". Versteh einer das Volk und die Medien.
Ebenso unverständlich ist, dass im Zusammenhang mit Guttenberg immer von "Manieren", "Bildung" und "Stil" die Rede ist. Das Thema "Bildung" hat sich ja nun erledigt und zu den anderen Aspekten nur so viel: Unter "Stil" versteht Guttenberg offensichtlich, wenn er - nach alter Adelstradition - seine Untergebenen in den Krieg schickt und dann tote Soldaten benutzt, um sich jeglicher Kritik an der eigenen Person zu entziehen. Nach dem Motto: Sie werfen mir hier Kinkerlitzchen vor - und in Afghanistan sterben unsere Männer.
In diesem Zusammenhang unvergessen ist auch die deutschnationale Familienanekdote, in der "KT" behauptet, seine kleine Tochter habe ihn gefragt, ob die drei toten Soldaten vom Karfreitag letzten Jahres tapfere Helden gewesen seien und ob sie stolz auf sie sein dürfe. O-Ton Guttenberg: "Ich habe beide Fragen nicht politisch, sondern einfach mit Ja beantwortet." Dazu kann man eigentlich nur den Kollegen Fritz Eckenga zitieren: Missbrauch hat viele Gesichter!
Aber bei dem Freiherrn von und zu Guttenberg war es so, wie es eben oft bei Hochstaplern ist: Je unverschämter die Aktion, je größer die Lüge, umso weniger wurde sie hinterfragt. Nur mal so zwischengefragt: Hat eigentlich mal jemand den Stammbaum der Guttenbergs überprüft?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren