Die Wahrheit: Die Katze, der Hamster, die Wolken
Montag war der internationale Tag der Katze. Ich hatte bisher geglaubt, der finde jeden Tag statt, mit Wanst vollschlagen, Fell bürsten lassen und Möbel ruinieren. ...
... Ein Netzwerk haben die Viecher doch sowieso, wieso nicht auch ein internationales? Da sprechen sie sich ab mit ihren fiesen Verschwörungen: "Heute bist du dran, Frau Fischer einen toten Maulwurf auf die Fußmatte zu legen." - "Ja, geht klar. Du hattest ja neulich die angebissene Ratte …"
Vor allem aber kommen die Vertreter der internationalen Katzenwelt überein, immer neue Abgesandte in unseren Haushalt einzuschmuggeln. Da ihnen das allein nicht gelingt, gewinnen sie einen Verbündeten, der kann, was sie nicht können: sprechen und "Mama" sagen und echte Tränen weinen.
Ich kann übrigens auch echte Tränen weinen. Alle meine praktischen Argumente gegen eine neue Katze im Haus waren vorgeschoben und wurden von der Gegenseite sofort zerpflückt - es gibt doch eine Ferienbetreuung, so teuer ist der Tierarzt gar nicht, Allergiker brauchen uns nur noch im Sommer zu besuchen, und die Tapeten sind sowieso hässlich.
Mein wahrer Grund, nicht schon wieder so ein Vieh im Hause haben zu wollen, war so erbärmlich, dass ich ihn nicht vorbringen konnte: Als der letzte Kater an Nierenversagen zu Grunde ging, musste ich leider feststellen, dass ich gegen den Heimgang vierbeiniger Familienmitglieder nicht besser gewappnet bin als damals, als mein Hamster starb. Nur war ich damals elf, und inzwischen bin ich in einem Alter, das andere Menschen aus Höflichkeit nicht mehr erwähnen.
Statt also meinem Kind beim Sterben seines pelzigen Freundes eine Stütze zu sein, vielleicht gar ein Beispiel für die heroische Bewältigung von Lebenskrisen abzugeben, lag ich heulend in der Sofaecke. Das ist die grauenhafte Wahrheit, und ich ahne, dass ich gar nicht so alt werden kann, um Katzen, Hunde und Hamster so zu sehen wie das deutsche Gesetz: als Sache, also sachlich. Über den pädagogischen Wert von generationsübergreifenden, gemeinsamen Schluchzattacken auf zerkratzten und verflohten Polstermöbeln weiß ich nichts, aber ich fürchte, er wird in der Fachwelt nicht sehr hoch angesetzt.
Das würdige Begräbnis, das natürlich verbotenerweise im Garten stattfand, war für uns alle eine schwere Prüfung. Ich fand, dass die rasch ziehenden kleinen Wolken jagenden Katzen ähnelten, und fand außerdem, dass mich jemand niederschlagen sollte, falls ich so sentimental sein sollte, das zu erwähnen. Wochen später meinte der Liebste beiläufig: "Alle Wolken sahen wie Katzen aus, aber ich wollte es lieber nicht sagen."
Danach dauerte es nicht mehr lange, bis das Kind sein Projekt "Weichgeklopfte Mama" erfolgreich abschließen konnte und wir mal wieder im Tierheim standen. Wir nahmen die halbwilde Katze Hermine. Was solls, auch Vorhänge kann man ersetzen. Zu Hause entpuppte sich die Katze dann erstens als Kater und zweitens als sympathische Schlafmütze. Die Maulwürfe senden Dankschreiben.
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