Die Wahrheit: Die Discount-Scheichs
Arabischer Einkaufssommer in Münchens Läden.
Muhammad al-Mukr schlendert entspannt mit seinen vier Frauen und sechs Kindern durch die neonhell beleuchteten Gänge des Aldi-Markts in der Münchner Schwanthalerstraße. Er ist begeistert vom Angebot, von den Preisen und der lebhaften Atmosphäre. Es ist Freitag, 18 Uhr, Massen hektischer Kunden tätigen den Wochenendeinkauf, an den Kassen bilden sich lange Schlangen. In all dem Trubel bewahrt Muhammad al-Mukr stoisch die Ruhe. Wie ein Fels in der Brandung steht er sinnierend vor dem Süßwarenregal, während missmutige Deutsche sich fluchend an seiner raumgreifenden Familie mit ihren Kinderwagen vorbeiquetschen.
Mit der angeborenen Würde des arabischen Wüstensohnes wägt er bedächtig die Entscheidung - bis er sich für die Haferkekse mit Schokoüberzug entscheidet. Während eine seiner voll verschleierten Frauen auf seinen Wink hin 20 Packungen in den Einkaufswagen stapelt, öffnet al-Mukr schon mal eine Packung und reicht jedem seiner Kinder einen Keks. Dann geht es weiter zu den Körperpflegeprodukten, seine Frauen sollen schließlich auch was Schönes bekommen. Nach zwei Stunden steht al-Mukrs Familie an der Kasse und beendet den Ausflug in die deutsche Discounterwelt.
Muhammad ist sehr zufrieden über seine Einkäufe, vor allem der Trainingsanzug aus mitternachtsblauem Nylon für 14,99 Euro hat es ihm angetan. "Letztes Jahr waren wir im August auch in München, aber bei Prada hatten sie überhaupt keine Trainingsanzüge. Das war sehr enttäuschend", beklagt sich der 43-jährige Bankkaufmann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der seit Jahren den Sommer in der bayerischen Landeshauptstadt verbringt. So wie viele seiner Landsleute, denen das Grün der Parks, das gemäßigte Klima und der ausgiebige Regen paradiesisch erscheinen.
Doch hat sich dieses Jahr ein tiefgreifender Wandel im Urlaubsverhalten der Golf-Araber vollzogen: Bevölkerten sie in früheren Jahren die Luxusboutiquen der Maximilianstraße oder die Flagshipstores der Fußgängerzone, hat sich unter dem Eindruck der Finanzkrise dieses Jahr die Schnäppchenjagd zum beliebtesten Urlaubsvergnügen der Araber entwickelt. Heute bewegt sich der budgetbewusste Scheich im magischen Viereck aus Aldi, Penny, Norma und Lidl - mit gelegentlichen Abstechern zu Ikea oder Obi.
Omar Butak ist auch einer dieser arabischen Sparfüchse, die das Schnäppchenparadies rund um den Münchner Hauptbahnhof für sich entdeckt haben. "Letztes Jahr habe ich mir hier beim Juwelier noch eine Rolex gekauft, aber die Armbanduhr von Lidl für 9,99 hat noch viel mehr Funktionen. Und sie geht auch genau", berichtet der 26-jährige Palästinenser aus Gaza-Stadt voller Besitzerstolz. Omar ist seit einem Jahr arbeitslos und bezieht seitdem Hamas IV, die Sozialhilfe der palästinensischen Autonomiebehörde. "Damit kann ich zwar keine großen Sprünge machen, aber für einen kleinen Deutschlandurlaub reicht es."
Einzig mit der bayerischen Gastronomie konnten sich die arabischen Hitzeflüchtlinge noch nicht so recht anfreunden. Das war in den vergangenen Jahren besser, als sie noch in Luxushotels logierten und die Speisen extra für die muslimische Klientel halal zubereitet wurden. Diesen Service kann man von den heute bevorzugten Low-Budget-Hotels und Jugendherbergen selbstverständlich nicht erwarten und so sieht man in diesem Sommer nach Sonnenuntergang arabische Großfamilien auf der Suche nach einem erlaubten Speiseangebot zwischen Donisl, Haxnbauer und Hofbräuhaus herumirren.
Muhammad al-Mukrs Suche nach einem geeigneten Lokal schien schon von Erfolg gekrönt zu sein, als er das Restaurant Halali in der Schönfeldstraße entdeckte. Diese für ihre Wildspezialitäten bekannte Stätte gehobener bayerischer Gastlichkeit hatte al-Mukr aufgrund des Namens für ein Muslim-taugliches Restaurant gehalten. Als sich das Missverständnis aufgeklärt hatte, zog die Familie mit knurrendem Magen wieder ab. Da traf es sich gut, dass sie im Kinderwagen noch die Haferkekse vom Aldi hatten.
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