Die Wahrheit: Verirrt in der Vorstadt
Schwabinger Krawall: Der Jackie wollte nur nachschauen, ob das Notfallkondom noch in seinem Geldbeutel ist ...
D er Jackie wollte nur nachschauen, ob das Notfallkondom noch in seinem Geldbeutel ist, weil die Schwarzhaarige neben dem Geldspielautomaten so neugierig geschaut hat und man ja nie weiß. Dabei hat er gemerkt, dass er seinen Geldbeutel gar nicht dabei hat. Wie der Kellner gefragt hat, ob er noch ein Bier wolle, hat er gesagt, dass er überlegen muss, und wollte den Hubsi anrufen, damit ihn der aus diesem komischen Stehausschank rettet, von dem er nicht mehr gewusst hat, wie und warum er da gelandet ist.
Sein Telefon war jedoch ebenfalls weg, genau wie der Autoschlüssel, und weil ihm nicht mehr eingefallen ist, wo sein Auto steht und in welchem Viertel er ist, hat er gebrüllt, dass sich die Drecksau, die seine Sachen geklaut hat, augenblicklich stellen solle. Da war in dem schummerigen Lokal Totenstille, dann hat der Wirt gefragt, ob ihm der Hut brenne. In dem Moment ist eine Blondine in etwas mittlerem Alter hereingekommen und ihm um den Hals gefallen und hat geheult, sie sei so froh, dass sie ihn gefunden habe, und brauche unbedingt die Hose, weil um sieben ihr Mann von der Nachtschicht komme, und seine eigene Hose habe sie in ihrer Handtasche mitgebracht, weil sie nicht gewusst habe, ob sie ihn noch rechtzeitig auftreibt.
Da ist ihm alles wieder eingefallen: Wie ihm bei dem Streit mit der Jacqueline wegen ihrem Auto, das er nach der Fete beim Totenkopf-Willi auf einen Hydranten gesetzt und dabei den Schlüssel im Zündschloss abgebrochen hat, der Kragen geplatzt und er geflüchtet ist, die Karre kurzgeschlossen hat und in dieser Großraumdisco am östlichen Stadtrand gelandet ist, wo ihn die Blondine gefragt hat, ob er noch was vorhat, und wie er sich in der Wohnung von der Blonden beim Anziehen gedacht hat, dass ihm die Hose irgendwie zu groß geworden ist, und die Klotür mit der Wohnungstür verwechselt hat, wegen der Nachbarn nicht klingeln wollte und sich vor lauter Zorn und Blödheit in den Stehausschank gegenüber gesetzt hat, um zu warten, ohne zu wissen, auf was. Das war dem Jackie so peinlich, dass er seine Hose (ohne Notfallkondom) genommen und sich nicht zu fragen getraut hat, wie die Blonde eigentlich heißt.
Am nächsten Nachmittag hat der Hubsi angerufen: Das rumänische Model, das der Ferrari-Schorsch bei der Giulia Siegel ihrer Housewarming-Party aufgerissen hat, feiere in einer Großraumdisco am östlichen Stadtrand ihren 18., da komme man nur mit dem Auto hin, weshalb er dem Jackie auch eine Einladung besorgt habe. Der Jackie hat ihn mitten im Redeschwall unterbrochen: Er sei zurzeit am liebsten daheim, weil ihn der ganze Halligalli-Schmarrn mit den depperten halbprominenten Arschgeigen und ihren wurstgesichtigen Pseudomodels in seinem Alter nicht mehr interessiere. Dann hat er die Küche und das Bad geputzt, seine Hemden gebügelt, den Abfalleimer ausgeleert, sich aufs Sofa gelegt und gefreut, dass um sechs die Jacqueline heimkommt, und gedacht, dass sie ihr Auto einstweilen sowieso nicht braucht und es irgendwer irgendwann schon finden werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken