Die Wahrheit: Drink and Drive auf dem Dorf
Ich habe viele Jahre in der Stadt gelebt, bin durch einige deutsche und europäische Metropolen mit dem Auto gefahren, nie hat mich die Polizei angehalten.
I ch habe viele Jahre in der Stadt gelebt, bin durch einige deutsche und europäische Metropolen mit dem Auto gefahren, nie hat mich die Polizei angehalten, um mal kurz nachzuprüfen, ob meine dem Beamten ins Gesicht wehende Rachenstandarte das Resultat eines Abends entschlossener Alkoholverkostung ist. Auf dem Dorf passiert einem das zweimal im Jahr.
Das ist lästig, vor allem für junge Menschen, weil die viel unterwegs sind und viel trinken müssen. Man hat als jugendlicher Autofahrer in der Provinz leider häufiger mit den Uniformierten Umgang, als einem lieb sein kann. Entsprechend unfreundlich ist der Wachtmeister, wenn er wieder mal einen Wagen mit angedudelten Endzehnern angehalten hat. Um dem vorausgeahnten Autoritätsverlust gleich etwas Solides entgegenzusetzen, staucht der staatlich geprüfte Schnauzbartträger erst mal die ganze Fahrgemeinschaft zusammen. Danach muss der Fahrer pusten. Egal wie aufrichtig er versichert, er habe nur Fassbrause zu sich genommen. Und wenn es tatsächlich stimmt, was er behauptet, darf er die Fahrt fortsetzen. Nachdem er 20 Euro berappt hat, denn irgendwas findet sich immer.
Immerhin füllt sich der Anekdotenschatz ungemein auf solche Weise. Jeder hat eine Geschichte erlebt oder doch wenigstens gehört. Etwa die von dem leidlich hackedichten Fahrer, der sich dem polizeilich verfügten Halt via Vollgas entzog, was dann eine einstündige Verfolgungsjagd nötig werden ließ, an der fünf weitere Peterwagen beteiligt waren, bis sich der Alkoholsünder zu Fuß in einen dunklen Forst flüchtete und man eine Hundestaffel zur Hilfe holen musste, um ihn, langgestreckt in einer Wildschweinsuhle ausharrend, doch noch dingfest zu machen, mittlerweile durchaus wieder nüchtern.
Oder die komplementäre Story von dem notorischen Dorfpichel, der anstelle eines Abendessens sieben Bier und eine halbe Flasche Jägermeister zu sich nahm, um dann ebenfalls von der Polente gestellt zu werden. Man hält ihm gleich das Mundstück des Alkomats hin, aber auch nach dem dritten Versuch zeigt das Präzisionsgerät keinen Ausschlag auf der nach oben offenen Promilleskala.
Solche Geschichten halten die alten überlieferten Feindbilder auf beiden Seiten lebendig. Und damit alles auf ewig so bleibe, setzt die Bullerei schon bei kleinen Kindern einiges daran, sich unbeliebt zu machen. Denn irgendwann sind die ja auch mal auf vier Rädern unterwegs.
Als ich neulich mal wieder in meinem Heimatdorf weilte, wurde ich Zeuge einer hübschen Szene, die genauso vor fünfzig Jahren hätte stattfinden können. Sie ist vermutlich so alt wie die Provinz selbst. Ein kleiner Junge kam auf dem Fahrrad gefahren, freihändig. Ein Polizist hielt ihn an. „Haste mal ’n Zwölferschlüssel?“ Der Junge überlegte, schaute hilfsbereit in die Satteltasche, und tatsächlich, sein vorausschauender Vater hatte ihm ein Arsenal Reparaturutensilien zusammengestellt. Stolz zeigte er dem Polypen das Gewünschte. Der nickte zufrieden. „Dann schraub dir mal den Lenker ab, den brauchste ja nicht mehr.“
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