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Die WahrheitKein Blut für Tampon-Tee

So wie in jedem Jahr, so hat auch in diesem Frühling für mich die Zeit der Feldexkursionen begonnen. Mein erstes Ziel war die kleine, subtropische Insel Gulangyu.

Spezialität des Hauses: Tampon Milk Tea. Bild: Christian Y. Schmidt

S o wie in jedem Jahr, so hat auch in diesem Frühling für mich die Zeit der Feldexkursionen begonnen. Mein erstes Ziel war die kleine, subtropische Insel Gulangyu, die zum Stadtgebiet von Xiamen im Süden Chinas gehört. Hier wollte ich die allerneuesten Urlaubstrends der chinesischen Mittelklassejugend untersuchen. Die Insel ist nämlich bei exakt dieser Zielgruppe außerordentlich angesagt.

Der fetteste Trend war bereits gleich bei meiner Ankunft auszumachen. Er lautet: romantisch sein. Vor allem junge Frauen schienen dazu höchst entschlossen. Viele trugen romantische lange Batikkleider oder Tutus aus Tüll oder Nylon, die Köpfe mit Strohhüten bedeckt, die bunte Bänder oder pinkfarbene Plastikblumen zierten.

Dazu wurden durch die gläserlosen Brillen möglichst kullerige Audrey-Hepburn-Augen gemacht, die vorbehaltlos jedes noch so banale Ding auf der Insel (Ziegelstein, Pfosten, Trafokasten) bestaunten. Diese Romantikbomben gingen nicht; sie trippelten, und wenn sie standen, zeigten ihre Fußspitzen nach innen.

Auch die Insel selbst liegt im Romantiktrend, und das schon seit mehr als hundert Jahren. Damals hatten vornehmlich westliche Kolonialherren Gulangyu mit europäischer Architektur vollgestellt. Diese Gebäude sind in den letzten Jahren romantisch aufgepeppt worden, mit plüschigen Cafés und schnuckeligen Restaurants.

Ewige Romantik festgehalten auf Polaroid

Deren Wände hat man mit bunten Haftnotizzetteln tapeziert, auf denen sich romantische Urlauber gegenseitig ewige Romantik schwören. In den Schaufenstern der kleinen Inselläden standen betagte Fernseher, Polaroidkameras und Schreibmaschinen aus der guten alten Zeit, als man noch voll mechanisch tippitippi machte.

Verkauft wurden diese Sachen aber nicht, sondern ausschließlich echter Romantikbedarf wie Plüschbären, Holzhäschen, Plastikschlümpfe und Nussknacker aus dem Erzgebirge. Noch echtere Romantikfreaks erwarben obendrein kleine Heftchen voller Tuschezeichnungen. Die waren zum Abstempeln auf einer Art Schnitzeljagd quer über die Insel gedacht; zum Beispiel mit romantisch roten Mao-Stempeln.

Am wichtigsten jedoch war es, für alle Dinge romantisch viel Geld auszugeben, so wie in den Hauptstädten der Romantik, Rom oder Paris. 3,50 Euro kostete deshalb eine kleine Tasse Pulverkaffee oder mehr als 2 Euro ein „Specialty Tampon Milk Tea“. Weshalb der so hieß? Ich vermutete, ebenfalls aus romantischen Gründen, schließlich gibt es ja wohl kaum etwas Romantischeres, als ein mit dem Regelblut der Liebsten durchwirktes Getränk zu schlürfen.

Doch als meine Dolmetscherin bei der Bedienung nachfragte, war es bloß ein schwarzer Tee mit Milch und Zucker, der angeblich nach dem „Tampon“ genannten Golden Retriever des Hauses hieß.

Ich war nicht nur enttäuscht, sondern auch empört. Zerstört nicht ein solcher Hund mit einem Schlag jedwedes romantische Gefühl? Ich denke schon. Wir jedenfalls verließen stante pede die Insel. Und kommen erst wieder, wenn man „Tampon“ erschossen oder besser noch: gegessen hat.

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11 Kommentare

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  • S
    ssst

    Will Blut sehen. Und weise Wahrheit. Herr Griesbach, bitte nehmen Sie die Herausforderung von CYS an.

  • 付阳

    Sehr geehrter Herr Griesbach,

    haben Sie doch die Güte und kommen Sie dem kollektiven Wunsch der hier versammelten taz-Wahrheit-Kommentatoren nach, uns mit Ihrer geballten sechsjährigen(!) Erfahrung zu erleuchten. Als interessierter Mensch bin ich nämlich schon lange auf der Suche nach DER Wahrheit über die tatsächlichen Verhältnisse in China.

    In diesem Sinne, nutzen Sie die Chance, die Welt (und ganz besonders ich) wartet auf Ihre fundierten Ansichten.

    P.S. sollte mich Ihre Kolumne überzeugen, bin ich gerne bereit mehr von Ihnen zu lesen!

  • B
    Besserwessi

    Super. Es geht doch. DANKE fuer die Recherche sowie fuer die ausfuehrliche Darlegung des Sachverhalts.

     

    P.S. vor 20 Jahren durfte man nur nach Gulangyu ziehen, wenn man einen Einheimischen geheiratet hat.

    Ich denke, diese Vorschrift gibt es immer noch.

    Es sei denn, man legt ganz viel Geld auf den Tisch und bekommt eine Ausnahmegenehmigung, soll es ja alles geben.

     

    Viel Spass noch in Peking und gute Sichtverhaeltnisse !!!

  • N
    nadjuschka14

    Sehr geehrter Herr Klaus Griesbach, vermisse leider Ihre taz-Kolumne! Wann erscheint diese endlich? Bin auch sehr gespannt darauf, herauszufinden um wieviele Längen Sie besser sind als dieser Dummschwätzer (übrigens ein absolut gerechtfertigter Kosename) CYS! Sitze wie auf Kohlen.

    Hochachtungsvoll, nadjuschka14.

  • M
    Mehrheitswahl

    Herr Griesebach, bitte übernehmen Sie diese Kolumne! Ja, richtig gehört, werte Redaktion: Als Leser möchte ich das Leben in China in einer Weise geschildert bekommen, die meiner Intelligenz nicht wie die Schmidt'sche Kolumne Hohn spricht.

  • C
    CYS

    @Besserwessi: Amoy (=Xiamen) wurde am 26. August 1841 im ersten Opiumkrieg von den Briten erobert. Im Vertrag von Nanjing erzwang Großbritannien unter anderem die „Öffnung“ von Amoy für britische und andere nicht-chinesische Kaufleute. Nach der Einnahme Amoys stationierten die Briten zunächst 300 Soldaten auf Gulangyu (bis 1845). 1852 wurde im Stadtgebiets Amoys eine weitgehend exterritoriale britische Konzession eingerichtet (die am 13. Januar 1931 an China zurückgegeben wurde). 1902 (nach anderen Quellen 1903) wurde Gulangyu eine „International Settlement“ bzw. internationale Konzession. Diese Konzession blieb selbst nach der Eroberung Xiamens durch Japan im Jahr 1938 bestehen. Erst am 8. Dezember 1941 nahmen die Japaner auch Gulangyu ein. Damit hörte die Konzession auf zu bestehen.

     

    Der völkerrechtliche Status der Konzession auf Gulangyu entsprach in etwa dem der internationalen Konzession in Shanghai. Die Insel wurde von einem Municipal Council verwaltet, in dem sechs Ausländer und ein Chinese vertreten waren. Dem Council unterstand eine internationale Polizeitruppe (die wie in den britischen Straits Settlements oder in Hongkong hauptsächlich aus indischen Sikhs bestand), unter Führung eines europäischen Polizeioffiziers. Außerdem waren auch immer wieder fremde Truppen auf der Insel anwesend. Die ausländischen Bewohner Gulangyus unterstanden nicht der chinesischen Gerichtsbarkeit. Zwar waren die zahlreichen Konzessionen innerhalb Chinas völkerrechtlich weiterhin Bestandteil Chinas – anders als 'echte' Kolonien also -, de facto aber waren sie das nicht. Zu Recht zählt Wikipedia Gulangyu unter den „foreign enclaves in China“ auf. Ob man die Verfechter und Profiteure dieser Politik als „Kolonialherren“ bezeichen will, mag jeder für sich selbst entscheiden.

    http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_foreign_enclaves_in_China

     

    Hier ein kurzer Überblick über die Kolonialgeschichte Xiamens / Amoys / Gulangyus / Kulangsus: http://gwulo.com/A-brief-history-of-international-Amoy

     

    @ Klaus Griesbach: Hiermit lade ich Sie ein, als Gast eine Folge von „Im Jahr des Drachens“ zu schreiben. Einzige Voraussetzung: Die Redaktion der taz-Wahrheit muss ihren Text so unterhaltsam finden, dass sie ihn auch abnimmt. Länge (mit Leerzeichen): Ziemlich genau 3.000 Zeichen. Und das üppige Honorar geht an notleidende Ökobauern in China. Ich freu mich schon auf Ihren Beitrag.

  • B
    Besserwessi

    DAS soll Satire sein ?

    Zu den chinesischen Klopfern, sprich Uebersetzungen, gibt es schon ein ganzes Buch, uebrigens von einem Deutschen geschrieben.

     

    Da fliegt Herr Schmidt zwei Stunden von Peking nach Xiamen und saugt sich an einem Tampon auf.

     

     

    Nee.Anspruchsvolle Satire sieht anders aus und ist mit ein bisschen Hintergrundwissen gespickt.

  • S
    Suryo

    Mann Klaus,

     

    diese Kolumne erscheint nicht ganz ohne Grund auf der Satireseite der taz....

  • KG
    Klaus Griesbach

    Wann wird endlich diesem Dummschwaetzer Christian Y Schmidt die China Kolumne gestrichen und dafuer mir, der ich auch seit mehr als 6 Jahren in Peking lebe, der Platz eingeraeumt um den Lesern das hiesige Leben in einer Weise zu schildern die ihrer Intelligenz nicht wie die Schmidt'sche Kolumne Hohn spricht.

  • B
    Besserwessi

    Kolonialherren ?

     

    Xiamen war nie ausl. Kolonie wie es z.B. Qingdao

    ( Tsingtau) oder Hongkong waren.

    Die Architektur Gulangyus ist einzigartig,

    da viele Laender ihre Spuren hinterlassen haben.

     

    http://en.wikipedia.org/wiki/Gulangyu_Island

     

    Anstatt ueber Tampons zu schreiben, sollten Sie dem Leser doch ein bisschen mehr ueber das Land vermitteln. Ganz schwach.

    TAZ, dafuer zahl ich nicht !!!!

  • A
    anke

    Das kommt davon, nehme ich an, wenn man frühere Kolonialherren im Namen der Kasse romantisiert. Womöglich war es ja der britische Möchtegern-Thronfolger, der dem Hund und damit dem Tee zu seinem Namen verholfen hat. Da kann man mal sehen, wie abrupt die Romantik enden kann, wo private Worte ans nicht unbedingt gleichmäßig helle Licht einer unvorbereiteten Öffentlichkeit gelangen. Erschießen sollte man den Kerl, der das Telefonat breitgetreten hat. Oder besser noch: aufessen – bei lebendigem Leib! Der Köter, schließlich, ist vollkommen unschuldig.