Die Wahrheit: Aufstieg gegen den Abstieg
Vielleicht muss ich doch noch auf den Berg. Ich hatte vor Wochen das Gelübde abgelegt, dass ich auf Irlands heiligen Berg klettern würde, sollte mein Fußballverein nicht absteigen.
V ielleicht muss ich doch noch auf den Berg. Ich hatte vor einigen Wochen das Gelübde abgelegt, dass ich auf Irlands heiligen Berg, den Croagh Patrick, klettern würde, sollte mein Fußballverein nicht absteigen. Mein Verein ist aufgrund der Ungnade des falschen Geburtsorts Hertha BSC Berlin.
Das Gipfelstürmerversprechen, das ich einlösen muss, sollte Hertha die Relegationsspiele überstehen, gab ich im Februar, nachdem Hertha schon wieder einen Trainer entlassen hatte. Inspiriert wurde ich dazu von Giovanni Trapattoni.
Der Italiener ist seit 2008 Trainer der irischen Nationalmannschaft. Seit 2010 betreut er nebenbei auch die Fußballauswahl des Vatikan, die von Adidas gesponsert wird und aus Schweizergardisten, päpstlichen Räten und Museumswächtern besteht. Der doppelte Trainerposten ist offenbar eine gute Kombination, denn mit göttlicher Hilfe bei der Auslosung gelang es den Iren, sich erstmals seit 1988 wieder für die Europameisterschaft zu qualifizieren.
Allerdings musste Trapattoni dafür eine Gegenleistung erbringen. Er ist am 17. März geboren, dem Todestag von St. Patrick, der jedes Jahr auf der ganzen Welt mit Umzügen und Trinkgelagen begangen wird. Er sei froh, dass er an diesem besonderen Tag auf die Welt gekommen sei, sagte Trapattoni.
Noch froher dürfte er sein, dass zwischen seiner Geburt und Patricks Tod fast 1.500 Jahre liegen, denn sonst hätte er Gladiatoren im römischen Zirkus trainiert. Jedenfalls gelobte er, auf den Croagh Patrick zu steigen, sollte sich Irland qualifizieren.
Zwar ist der Berg nur 753 Meter hoch, aber der Aufstieg ist mühsam, die letzten 500 Meter sind eine Tortur. Der Weg führt über ein Geröllfeld steil zum Gipfel. Patrick soll im Jahr 441 dort oben 40 Tage gefastet und Pläne für die Christianisierung der Insel geschmiedet haben. Der Berg sei eine Metapher für die Aufgabe, vor der die irischen Fußballer in Polen und der Ukraine bei der EM stehen, sinnierten die Sportjournalisten.
Trapattoni musste nicht alleine hinauf, man hatte aus dem Aufstieg eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Alzheimer-Stiftung gemacht. Mehr als tausend Menschen nahmen daran teil, darunter Irlands Premierminister Enda Kenny. Der hatte andere Motive.
Er bat darum, dass die Iren Ende des Monats den europäischen Fiskalpakt per Referendum absegnen. Dafür hielt er bis zum Gipfel durch – im Gegensatz zu Trapattoni, der nach der ersten Etappe kehrtmachte, weil der Fußballverband eine Pressekonferenz am Fuß des Berges anberaumt hatte. So wird das nichts mit der Europameisterschaft.
Die katholischen Bischöfe wiesen darauf hin, dass das Erklimmen des Croagh Patrick keineswegs Sportergebnisse oder Volksentscheide beeinflusse, sondern lediglich der Sündenvergebung und der Verkürzung des Aufenthalts im Fegefeuer diene. Immerhin.
Als Hertha-Fan kenne ich das Fegefeuer und würde die Sache gern abkürzen. Sollte ich es noch erleben, dass Hertha irgendwann die Champions League gewinnt, gelobe ich, auf den Mount Everest zu klettern. Barfuß.
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