Die Wahrheit: Kuscheln mit Puhdy
Bekenntnisse eines Pudelisten: Die Liebe in Zeiten des Leinenzwangs.
Die Grünen schon wieder. Auf einmal wollen sie, dass Sex mit Tieren unter Strafe gestellt wird und beackern Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) mit entsprechenden Anträgen. Die Regulierungswut der Oberen bis in deutsche Betten hinein erinnert an die düstersten Zeiten unserer Geschichte.
Schon allein, dass die Agrarministerin dafür zuständig sein soll, zeigt die Verdinglichung von Tieren in den Köpfen vieler Menschen. Romantische Gefühle zwischen Individuen verschiedener Ordnungen werden diskriminiert, indem sie in den entseelten Komplex landwirtschaftlicher Bezüge abgeschoben werden: die Liebe, dieses höchste aller Gefühle, auf einer Stufe mit der vorgeschriebenen Ackerfurchenbreite eines EU-Maisfelds. Da wünschte man sich fast, der Heiland führe vom Himmel herab und träte den Menschen mal so richtig in die Fresse, um sie daran zu erinnern, was Liebe ist.
Wenn das Puhdy wüsste! Mein Augenstern. Mein Ein und Alles. Mein Berater und Gefährte am Tag, mein Tröster und meine Lust in der Nacht. Meine Liebe. Puhdy wäre absolut enttäuscht von uns Menschen. Er würde, ohne es zu wollen, auch mich mit anderen Augen sehen, nur weil ich ebenfalls ein Mensch bin. Und ich würde mich für dieses Menschsein schämen, haben doch die Grünen wie ich zwei Arme, zwei Beine und eine Brille. Ich wüsste echt nicht, wie ich Puhdy das erklären könnte. Doch zum Glück muss ich das nicht. Als Zwergpudel versteht er meine Worte nicht, auch wenn wir uns ansonsten blind verstehen.
Mir will kein Grund für die grüne Gemeinheit in den Sinn. Geeignete Gesetze, sowohl gegen die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung als auch gegen Tierquälerei, gibt es doch längst. Diese wirksamen Werkzeuge muss man doch einfach nur kombinieren, anwenden und die entsprechenden Strafrahmen ausschöpfen. Ich wäre der Erste, der dafür ist – auch mir gilt hierzulande das Ungeheuerliche noch viel zu sehr als Kavaliersdelikt. Da muss sich in der Mentalität, vor allem der Männer, noch einiges ändern.
Nur, wem nützt auf der anderen Seite eine pauschale Verurteilung einvernehmlicher Handlungen zwischen Mann, Frau, Goldfisch, Geranie oder Gartenstuhl? Den Spießern, den Verklemmten, den Religiösen vielleicht. Und wo soll da überhaupt die Grenze sein? Was ist zum Beispiel, wenn ich einer Katze über den Kopf streiche und sie die Zärtlichkeit mit einem Druck erwidert, einem Schnurren? Müssen wir beide schuldbewusst zusammenzucken, wenn im selben Moment von draußen eine Polizeisirene ertönt? Oder wenn ich im Park zwei Hunde mit deren stummem Einverständnis beim offenherzigen Liebesspiel filme: Wird dann mein Computer beschlagnahmt? Warum verlangt man von erwachsenen Säugetieren, sich für ihre Sexualität zu rechtfertigen? Wir wollen nicht, dass uns die politische Klasse vorschreibt, ob und mit wem und wie wir was mit wem auch immer machen.
Details über unser Liebesleben sollen hier keine Rolle spielen – die sind allein Puhdys und meine Sache. Wir küssen uns nicht mehr in der Öffentlichkeit und halten keine Pfötchen. Wir warten, bis der Sturm hoffentlich bald schon in einem Wasserglas an uns vorüberzieht. Nur auf dem Hundespielplatz fühlen wir uns einigermaßen frei und unter Gleichgesinnten. Was die Geschehnisse auf dem Hundespielplatz in unserem Bett betrifft, was die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Leine, Maulkorb und Südfrüchten angeht: Die sind für andere tabu und sollen es bleiben.
Auch, ob Puhdy Männchen oder Weibchen ist, geht hier niemanden etwas an. Der Einfachheit halber und auch zum Schutz von Puhdys Privatsphäre wähle ich für ihn das Personalpronomen „er“ nach „der Pudel“. Denn unter diesen Umständen möchte ich die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung seiner Identität nicht ohne Not aufs Doppelte erhöhen. Auch ich selber schreibe hier unter Pseudonym. Schließlich kann schon morgen die grüne Sittenpolizei mit grober Faust an unsere Schlafzimmertür hämmern und zwei Liebende auseinanderreißen: den einen ins Tierheim, den anderen ins Gefängnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“