Die Wahrheit: Doping fürs Volk
Alltag eines an der Spritze erfahrenen Weißkittels.
Die Dopingaffäre um Lance Armstrong hat viele Verlierer: Fans trauern um ihren Sport, Fahrer um ihre Sponsoren und Funktionäre um ihre Zukunft. Doch wird in der Debatte oft das tragische Schicksal der Dopingärzte ausgeklammert, die – hervorragend auf ihrem Gebiet ausgebildet – durch solche Skandale vor dem Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz stehen. Vielen von ihnen fahren die Kunden davon. Ein Praxisbesuch.
Mit wehmütigem Blick streichelt Dr. Frank Plaschke eine unbenutzte Injektionsnadel. Die Zeiten für den Allgemeinmediziner sind hart. Er hatte seinen Praxisbetrieb vor gut zehn Jahren, als in der Radsportszene noch ohne Rücksicht auf Verluste alles eingeschmissen wurde, was der Markt an leistungssteigernden Substanzen zu bieten hatte, ganz auf das Doping von Spitzensportlern ausgerichtet.
„Die Grippe von Frau Schmidt oder die Krampfadern von Herrn Müller, darüber haben wir hier in der Praxis gelacht!“, erzählt Dr. Plaschke mit Wehmut in der Stimme. Oft habe seine Sprechstundenhilfe diese „ordinäre Kundschaft“ mit einem gepfefferten „Hau ab! Und komm wieder, wenn du Radsportprofi geworden bist!“ verabschiedet. Doch seit dem neuesten Skandal bleibe die Stammkundschaft aus. Deshalb müsse sich leider auch seine Praxis wieder auf den Nullachtfünfzehn-Patienten konzentrieren.
„Wir versuchen natürlich, unsere Patienten im alltäglichen Praxisbetrieb auf die faszinierenden Möglichkeiten beispielsweise eines Blutdopings aufmerksam zu machen“, erklärt Plaschke und zeigt stolz seine neue Infobroschüre, die frisch aus der Druckerei gekommen ist. „Doping für Groß und Klein – was rein muss, muss rein“, steht in lustigen bunten Buchstaben auf der Vorderseite. Eine krakelige Kinderzeichnung zeigt, wie ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen, dem eine Spritze im Oberarm steckt, auf ihrem roten Dreirad über einen reißenden Fluss springt.
Besonders die Zielgruppe U8 liegt dem Mediziner am Herzen. „Gerade auf den Kleinsten lastet ja ein enormer Druck. Mit zwei Jahren zum Klarinettenunterricht, mit vier in den Turnverein, mit sechs das Alphabet lernen!“ Um da mitzuhalten, kämen viele Kinder um eine professionelles Leistungsdoping nicht herum.
Kürzlich habe einer seiner Patienten beinahe für den ersten Dopingskandal in einer Kita gesorgt. „Da bin ich selbstkritisch – wir haben es etwas übertrieben. Der Jannik ist morgens direkt reingestürmt, hat das Frühstück links liegen gelassen und ist durch die Hintertür auf den Spielplatz. In vier Minuten 32 hat der die kompletten Spielsachen aus dem Schuppen geräumt, zweimal den kompletten Sand umgegraben und seinen besten Kumpel kopfüber in die Kastanie gehängt.“
Glücklicherweise hätten die meisten Kitas noch keine Urinkontrollen eingeführt, sagt Dr. Plaschke. Nun müsse er sich aber entschuldigen, eine Patientin warte. „Wir arbeiten mit Frau Janowski gerade an ihrer Bestzeit. Mit dem Rollator braucht sie momentan noch 14 Minuten 41 bis zum Edeka. Ich bin zuversichtlich, dass wir ihre Zeit mit einer Kombi aus Stereoiden und Epo halbieren können.“
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