Die Wahrheit: Die Kulturretter
Schwabinger Krawall. Im Frühling heißt es: „Rettet Münchens Partykultur!“
Der Hubsi hat gesagt, es sei ein Skandal, dass im Frühling nichts mehr los ist. Die Open-Air-Aufrisspartys von den BWL-Studenten hätten keinen Taug mehr, seit nebendran die Sozialkrüppel demonstrieren; das Gartenfest bei der Gräfin Witzewitz sei letztes Jahr schon ein Reinfall gewesen, weil die meisten geladenen Gäste wegen der Krise in der Schweiz waren.
Jetzt komme noch ein Bezirksausschuss daher und verbiete die Red-Bull-Sausen am Chinesischen Turm, weil der öffentliche Grund dem Volk gehöre. Ja Herrgott, hat er gesagt, das Volk sind doch wir!
Der dicke Kerl von dem Eventheft hat gemeint, dann solle der Hubsi halt demonstrieren, wenn er das Volk sei, und der Jackie hat gesagt, in Schwabing werde eine Demonstration wenig helfen, weil das in dem Trubel im Viertel eh nicht auffalle, aber möglicherweise könne eine Unterschriftenaktion was bewirken. Also sind der Jackie und der Hubsi am nächsten Tag mit Zetteln mit der Aufschrift „Rettet Münchens Partykultur!“ losgezogen, haben überlegt, wo man am besten anfängt, um möglichst schnell eine Million Unterschriften zu sammeln, und beschlossen, zunächst die Biergärten abzuklappern.
Am Turm hat sich niemand groß für ihr Anliegen begeistern wollen; ein dicker Mann mit Gamsbart hat sogar gesagt, sie sollten sich „verzupfen“, weil er sonst „hantig“ werde und ihnen „einen Papierkorb aufsetze“, deswegen haben sie erst mal selber unterschrieben und sich eine Maß gekauft, als Stärkung für den weiteren Weg. Auch im Seehaus war das Interesse gering, lediglich ein Herr mit Anzug hat gemeint, es sei höchste Zeit geworden, dass diese Schwabinger Anarchistenspelunke weggesprengt worden sei, und so Typen wie den Jackie und den Hubsi solle man am besten gleich mit ins Fundament der Neubebauung einbetonieren.
Da haben sie sich noch eine Maß gekauft und sind zum Osterwaldgarten marschiert, der randvoll mit Werbeheinis war, die gemeint haben, der Jackie und der Hubsi sollten lieber zukunftsfähig werden. Wie sie in der Hirschau angekommen sind, war dort kein Mensch mehr außer dem Wirt, der gesagt hat, dass er ihnen keine Maß zum Mitnehmen geben, sondern höchstens einen Krankenwagen rufen könne, damit er sie in die Ausnüchterungszelle fahre. Inzwischen war es zu dunkel, um noch zum Aumeister zu marschieren, also sind der Jackie und der Hubsi mit dem Taxi auf zwei, drei Caipis zum Renato – der nicht unterschreiben wollte, weil das nur wieder „ihr üblicher Schmarrn“ sei –, haben zwei Tourihasen vergeblich zu erklären versucht, um was es geht, und beschlossen, in der Sieben zu Ende zu demonstrieren.
Dort hat der Jackie zu dem einen Hasen gesagt, dass sie unbedingt die Schwabinger Kultur retten müsse, dann aber bemerkt, dass er gar keine Liste mehr hat. Also hat er sich noch ein Bier bestellt und ist sitzen geblieben und hat sich am nächsten Nachmittag, wie er auf dem Küchentisch eine Nachricht von einer Jana mit einer Düsseldorfer Nummer gefunden hat, gedacht, dass im Frühling doch einiges los ist, genau genommen sogar ein bisschen arg viel.
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