Die Wahrheit: Big Father is watching
Neues vom Altpapst: Jetzt packt auch der Beichtstuhl-Blower Benedikt aus und macht die Sündendateien des Vatikan öffentlich.
„Die beiliegenden Informationen werden hochgehen wie eine islamistische Bombe, sie werden das Fundament des christlichen Glaubens ein für allemal zum Einsturz bringen. Glauben Sie mir, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, schreibt Altpapst Benedikt XVI. (76) in einer krakeligen Notiz, die zusammen mit einer Sündengeständis-Daten-CD der Wahrheit-Redaktion vorliegt. Eine brisante Scheibe nicht nur für die kirchliche Welt. Und diese beweist: Das Amen in der Kirche ist offensichtlich alles andere als sicher, denn es handelt sich bei den gelieferten Daten um hochexplosive Beichtstuhl-Aufzeichnungen aus aller Herren Länder.
„Ich möchte damit die massive Überwachungsstrategie der Kirche enttarnen“, verrät der auf seine alten Tage ungewöhnlich aufklärungsfreudige Benedikt, dessen neues Lebensmotto offenbar „Nach mir die Sintflut“ lautet.
Der Ruhestand hat den ehemaligen Mann in den Schuhen des Fischers ganz offensichtlich, wie so viele andere Rentner vor ihm, verändert. Statt Briefmarken zu sortieren, hat der Exhirte in mühsamer Kleinarbeit Abschriften und Kopien von bedeutenden Sünden an seinem Computer erstellt und diese auf CD kopiert. Das gesamte Material muss zwar erst noch gesichtet werden, doch schon jetzt ist die zentrale Botschaft klar und deutlich herauszulesen: Die katholische Kirche späht ungeniert und weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit personenbezogene Daten seiner gläubigen Schäfchen aus. Und das seit mehreren Jahrhunderten. Betroffen sind vor allem Christen, die den fleißigen Agenten und Datenkraken Gottes gutgläubig und naiv durch einen schwarzen Vorhang hinweg Zugang zu ihrer Privatsphäre gewähren. So wurden von der katholischen Kirche allein während der Amtszeit des jetzigen Beichtstuhl-Blowers Benedikt mehrere Gigamillionen Sünden aufgezeichnet und auf der vatikaninternen Online-Plattform WikInquisition dauerhaft gespeichert.
„Dies haben wir getan, um den ehrwürdigen Gottvater zu entlasten“, ließ die Kirche in einer ersten, eiligen Stellungnahme verlauten. Durch die rapide Zunahme von Sünden in den vergangenen Jahren komme der zusehends betagte Herr im Himmel mit seinen Sünden-Beurteilungen kaum noch hinterher. Deshalb müsse notgedrungen gesammelt und gefiltert werden, so dass dem Herrgott nur noch die wirklich wichtigen Sünden vorgelegt würden, erklärt die Kirche beschwichtigend.
Viele Christen zeigten sich trotz dieser kirchlichen Beschwichtigung geschockt. „Dafür müssen der Vatikan und seine Mittäter vors jüngste Gericht“, forderte umgehend der bereits vor Jahren suspendierte Priester Eugen Drewermann. Er sieht einen großen Imageverlust für die Marke Christentum im Allgemeinen und katholische Kirche im Speziellen.
Etliche Betroffene überlegen nach Bekanntwerden dieser Hiobsbotschaft bereits, den religiösen Anbieter zu wechseln. Das Angebot ist schließlich unendlich groß. So werben kleinere islamistische Einrichtungen mit dem Slogan „Allah guten Dinge“ offensiv um die frustrierten Schäfchen. Bei Sofortabschluss eines Mitgliedschaftsvertrags bei den „Intifada Brüdern“ soll es zum Beispiel bis zu 72 Jungfrauen als Willkommensprämie geben. Die Krux: Geliefert werden die Jungfrauen erst nach dem Märtyrertod, dann aber direkt vor die Haustür ins Paradies.
Nicht alle sind froh über Benedikts Vorgehen. „Früher oder später werden wir diesen jämmerlichen Harfenspieler schon aufspüren und zur Rechenschaft ziehen“, schreibt der aufgebrachte katholische Online-User „Katholikalypse now“ bei Twitter. Unter dem Hashtag „#Schmutzbengel“ liefern sich Befürworter und Gegner des Beichstuhl-Blowers seit Tagen rasante Wortduelle der göttlichen Extraklasse.
Benedikt selbst befindet sich momentan an einem unbekannten Ort zwischen Himmel und Hölle. Sein frisch renovierter Alterssitz, das Kloster Mater Ecclesiae am Rande der Vatikanstadt, ist für ihn nicht mehr sicher. Über kurz oder lang wird der Beichtstuhlflüsterer wohl Zuflucht in einem neutralen, atheistischen Drittstaat wie der Schweiz suchen. Doch die Finger Gottes sind bekanntlich lang.
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