Die Wahrheit: Navis machen hungrig

Tagebuch einer Hundehalterin: Hundehalter gleichen sich ihren Tölen nicht nur charakterlich, sondern auch äußerlich an.

Neulich unterwegs im Auto mit zwei Freunden zum Spiel Union Berlin gegen Sankt Pauli. Die Männer klagen über ihre Navis. „BMW verkauft dir für’n Heidengeld so’n total beschissenes Ding, das führt dich grundsätzlich in statt um den Stau herum! Echt das Letzte!“ – „Das is doch gar nix! Bei VW leitet er dich einmal um den Erdball, und am Ende sagt er: ’Noch dreitausend Kilometer bis zum Ziel!‘ “ – „Ja, und wenn du dann im Stau stehst und mal musst, gibt’s bei BMW ’ne ausfahrbare Ente unterm Sitz.“ – „Ha! VW legt dir gleich ’n Katheter!“ Bitteres Lachen.

Wir halten an einer Ampel. Während die Herren noch damit beschäftigt sind, die Notdurfttauglichkeit ihrer Versagernavis zu vergleichen, wässert zwei Meter entfernt ein Stadtnomade ausgiebig einen Straßenbaum. „He, das ist mein Job!“, sagt der Blick seines vierbeinigen Begleitnavis, aber Herrchens beeindruckender Blaseninhalt reicht für eine ganze Rotphase, was auch den Mitfahrern nicht entgeht. Anerkennendes Pfeifen vom Rücksitz. Das Vierbeinernavi spitzt verwirrt die Ohren und trabt schon mal ohne seinen Boss los. Gekränkte Ehre? Penisneid? Vielleicht hat es auch nur die Zeit genutzt und den Weg zur nächsten Würstchenbude berechnet. Die Ampel schaltet auf grün. Nach der nächsten Kurve stehen wir dann dank BMW-Navi erst mal im Stau.

Im Stadion leitet mich mein inneres Navi zu den Nahrungsmitteln, ausgelöst durch jene Fressgier, die mich zu seinen Lebzeiten eng mit Sammy, meinem Cairn Terrier, verband. Er wurde fast 18, war am Ende blind und taub, aber Helen Keller, wie unser New Yorker Nachbar ihn liebevoll nannte, navigierte, dem Geruch von Essbarem folgend, bis zuletzt nahezu unfallfrei durch die Wohnung. Sein Leben lang fraß er alles, was nicht an die Wand genagelt war.

An dieser Stelle muss ich – wenn auch zögernd – die Behauptung bestätigen, dass Hundehalter sich mit der Zeit nicht nur charakterlich, sondern auch äußerlich ihren Tölen angleichen. Unvergessen das Kind, das erst auf mich und dann auf meinen struppigen Hund zeigte, um mich brutal wissen zu lassen: „You look just like your dog.“

Während ich kauend mitfiebere, besiegt Union Pauli nach fulminanter Aufholjagd mit 3:2. In meiner Geldbörse herrscht Ebbe. Auf dem Heimweg, vor der Sparkasse, hält eine junge Frau ihre Hand für Spenden und mir die Tür auf. Daneben lagern, beide angeleint, ein Labrador und sein Sub-Navi, ein Kaninchen, welches sich nach einem langen Tag im Großstadtdschungel possierlich putzt.

Am Abend ein letzter Blick in die Online-Nachrichten. Ein Wahl-O-Mat verlockt die ratlose Bürgerin, sich die näherrückende Entscheidung zu erleichtern. Also los: Antworten ankreuzen, unter den aufgeführten Vergleichsparteien die üblichen fünf Verdächtigen auswählen und ohne hinzugucken den Rest, bis acht zusammen sind. Und siehe, es bestätigt sich, was ich schon immer ahnte, meine politische Heimat liegt bei der Partei „Mensch Umwelt Tierschutz“. Meine Rede seit Langem: Köter for Kanzler! Aber was wird dann aus dem Veggie Day?

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kari

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