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Die WahrheitHeiße Herzen in der Gestenschmiede

Kolumne
von Jenni Zylka

Die wahre Erfinderin des Handherzens und anderer populärer Showgesten bin ich!

B ekanntlich ist das mit aneinander gedrückten Daumen und bogenartig geknickten Restfingern geformte sogenannte „Handherz“ seit zwei Jahren die populärste aller Showgesten. Es wird weltweit von allem angewendet, was mindestens vier Krallen hat und seichten Pop macht. Die Stimmung der Musik ist sozusagen an das Handherz gekoppelt, und man kann davon ausgehen, dass sogar aus Marilyn Mansons schwarzen Lippen nur noch Justin-Bieber-Songs herauspurzeln würden, wenn er mit seinen monsterkopfberingten Fingern nur einmal das „thumbs down“ zeigte.

Seit einiger Zeit behauptet die Country-Pop-Sängerin Taylor Swift, sie habe das Handherz erfunden, sie habe schon zu Collegezeiten ihre Hände aus dem Autofenster gehalten, weil immer so viele geliebte Freundinnen am Straßenrand standen, denen sie ihre Zuneigung gestikulieren wollte. Und die extrem gehäufte Sichtung von Publikums-Handherzen bei Swift-Konzerten sei ein weiterer Beweis für die originäre Herkunft dieser Geste.

Aber die Swifties lügen. Denn ich allein habe das Handherz erfunden. Und ich ärgere mir ein Loch in den Bauch, dass ich es nicht habe patentieren lassen. Das kam mir damals schlichtweg nicht in den Sinn, als ich während eines akuten Gichtanfalls, gepaart mit ein paar Sektflöten zu viel, mit Daumen und Zeigefingern jene komische Kamerarahmen-Geste vorführen wollte, die Hollywoodregisseure immer beim Wichtigtun am Set machen. Ich verwechselte die erforderlichen Handhaltungen, das Handherz war geboren, und höchstwahrscheinlich befand sich Taylor Swift damals in Sichtweite meiner Kneipenclique und klaute mir die Geste stumpf.

Das allein ist schon furchtbares Pech. Geradezu beängstigend wird die Sache jedoch, wenn man bedenkt, dass ich schließlich in den 50ern bereits die „Pistolengeste“ erfunden hatte, die von Amerikanern mit einer oder beiden Händen als Bestätigung des Gegenübers oder einfach nur so aus Leutseligkeit benutzt wird. Damals erzählte ich bei einem Picknick in einem öffentlichen Park den Witz von Cowboy und Indianer, die sich treffen, der Cowboy macht die einhändige Pistolengeste, und der Indianer versteht „Wie heißt du?“, der Witz geht noch weiter und hört auf mit „Nee, Flussziege“, das tut jetzt aber nichts zur Sache. Jedenfalls hat wohl auch weiland jemand gespickt und meine Geste geklaut.

Doch meine Felle schwimmen noch in der Nähe. Der Gestenbereich boomt, und heutzutage lassen sie sich dank Handyfotos derartig schnell verbreiten, dass ich hoffentlich zu Lebzeiten davon profitieren kann. Meine Gestenschmiede arbeitet momentan an einer „Ich skype dich an“-Geste, die noch etwas nach „Drei Bier für die Männer vom Sägewerk“ aussieht, zudem denke ich über eine „Ich hab meine Tage“-Geste für Frauen (nach unten geballte Faust mit ausgestrecktem kleinen Finger) und eine „Meine Schuld“-Geste für Autofahrer nach. Als Testimonials kämen Prominente wie der Pinkelprinz oder Stefan Effenberg in Frage. Die sind schließlich gut in Form.

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