Die Wahrheit: Verdruckste Rute
Bei all den kommunikativen Missverständnissen, die das Schwanzwedeln dauernd erzeugt, bleibt die Frage: Hunde, wollt ihr ewig wedeln?
Ein Quantensprung in der Phänomenologie des Schwanzwedelns ist die Erkenntnis, dass es Rechts- und Linkswedler gibt. Nein, nicht beim Menschen, sondern bei seinem besten Freund, dem Hund.
Italienische Forscher fanden jetzt heraus, dass das Rechtswedeln von der linken Gehirnhälfte gesteuert wird und auf eine positive Gefühlslage des Wedelnden schließen lässt. Nach links gewedelt wird beim Hund, wenn er Angst, Misstrauen oder dergleichen empfindet. Wir können das Linkswedeln auch als das unterwürfige Wedeln bezeichnen, das Freund Hund so viele Sympathien gekostet hat. Mittiges Wedeln wurde von den italienischen Wedelforschern nicht dokumentiert und sollte noch einmal speziell untersucht werden.
Prinzipiell sehen viele kritische Verhaltensforscher im Wedeln eine würdelose Form der Gefühlsäußerung, die nur bei den Hundeartigen zu beobachten ist. Eine Katze würde sich zu so einem Verhalten niemals herablassen. Die äußerste Form der Bewegung ist bei den Feliden allenfalls ein kurzes Zucken der Schwanzspitze und das auch nur im gespannten Zustand der Konzentration oder des Jagdfiebers.
Kein Schwein wedelt mit dem Schwanz, weder Kuh noch Esel oder Biber. Auch dem Hundefreund ist das auffällig schwanzfixierte Gebaren seines Gefährten nicht ganz geheuer, und er nennt den Hundeschwanz deshalb auch lieber etwas verdruckst „Rute“.
Das Schwanzwedeln war dem Menschen seit jeher lästig, es wedelte an der Feuerstelle unnötig Staub auf und der Scheibenwischereffekt macht den Betrachter eher wuschig. So schnitt der Mensch dem Hund seit Urzeiten einfach die lästige Rute ab und belegte damit drastisch, dass der beste Freund des Menschen nicht unbedingt umgekehrt auch den Menschen zu seinem Freund zählen sollte. Schon der alte Grieche Alkibiades (450–400 v. Chr.) enttäuschte seinen Hund, indem er ihm die Rute kupierte. Dass der Fall überhaupt dokumentiert ist, zeigt, dass das Schwanzkupieren Alkibiades’ Zeitgenossen heftig aufbrachte.
Straffes Gummiband
Das Kupieren ist im aufgeklärten Deutschland seit 1998 verboten. Nur aus beruflichen Gründen können Hunde davon ausgenommen werden, wenn sie beispielsweise als Jagdhunde arbeiten. So soll verhindert werden, dass sie sich ständig im Dickicht verheddern. Rigorose englische Hundezüchter entfernen den lästigen Schwanzwedel mit der gemeinen Gummibandmethode. Dabei wird die Blutzufuhr der Rute mittels eines straffen Gummibandes unterbrochen. Nach zwei bis drei Tagen fällt dann die abgestorbene Rute ab. Da möchte man diesen Rohlingen doch glatt Knecht Ruprecht mit der veganen Rute vorbeischicken!
Jedenfalls verwundert es nicht, dass auf Platz eins der Menschenbeißstatistik der gefürchtete Dobermann steht, dem ja traditionell die Rute gekürzt wurde. Da das ja mittlerweile bei uns verboten ist, haben sich zweifelhafte Kupierkliniken auf dem Balkan aufs Kupieren deutscher Dobermänner spezialisiert. Zu diesem Thema würde man doch gern einmal einen „Tatort“ sehen!
Dabei wissen auch skrupellose Dobermann-Kupierer, dass „die Schwanzbewegungen eines Hundes das Barometer seiner jeweiligen gefühlsmäßigen Einstellung sind“, wie es auf einer Hunde-Seite im Internet heißt. Der Ratgeber „400 Ratschläge für den Hundefreund“ klärt uns über das Hundewetter auf: „Schwach wedelnder Schwanz = es klart auf. Heftig wedelnder Schwanz = prächtiges, freudvolles Wetter.“ Doch der bemitleidenswerte kupierte Dobermann kann seine finsteren Gefühle nicht mehr ausdrücken und leidet womöglich unter Phantomschmerzen. Es wird auch von möglichem Phantomwedeln gesprochen, aber das ist wissenschaftlich nicht belegt.
Die These, dass Hunde ihre Rute stammesgeschichtlich zum Verwischen ihrer Spur nutzten, steht dagegen auf relativ gesicherten Pfoten. Auf die nächsten Ergebnisse der Wedelforschung können wir gespannt sein. Wie ist der Zusammenhang von Wedelfrequenz, Geschlecht und Alter? Wie wedelt der Welpe? Und wie heftig ist der Ausschlag des Wedelbarometers beim Vorlesen dieses Fachartikels? Bei solch stickigen Fragen wedeln wir uns erst mal ersatzweise mit einem Fächer etwas frische Luft zu.
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