Die Wahrheit: Leichenfleddern mit Audi
Neues aus Neuseeland: In Aotearoa sind Sitten und Urheberrechte auch nicht mehr das, was sie mal waren.
How bizarre“, dachte sich Kristine Fuemana, als sie nichtsahnend den Fernseher einschaltete. Aber sie meinte nicht den gleichnamigen Hit ihres verstorbenen Gatten. Zu sehen war der neueste Werbespot von Audi: „Land of Plenty. Land of Quattro“. Ein schnittiger Wagen, der durch die schönsten Landschaften Aotearoas saust, dazu eine poppige Melodie, die irgendwie vertraut klingt – ein Akt geschäftstüchtiger Leichenfledderei der deutschen Autofirma?
Auch Fuemanas Kinder vor der Glotze waren baff. „Hey, Mum, sie spielen Papas Lied!“, riefen sie aus, sechs Stück an der Zahl. Die füttert die Witwe alleine durch, seit OMC-Sänger Pauly Fuemana vor drei Jahren plötzlich starb. Der polynesische Rapper war schwer krank, hatte Schulden und Drogenprobleme. Vom plötzlichen Ruhm hatte er sich nie erholt. „How Bizarre“ war 1995 ein Riesenhit und ist bis heute der meistverkaufte neuseeländische Tonträger aller Zeiten. Ein Jahr später folgte die Single „Land of Plenty“. Und die soll Audi angeblich im neuen TV-Spot verwurstet haben, behaupten Kristine Fuemanas Anwälte und die Plattenfirma Universal Music.
Auch dem Koautor des OMC-Songs wurde „übel“, sagt er, als er das hörte, was er für ein klares Plagiat hielt. Denn Audi hatte weder die Rechte für „Land of Plenty“ gekauft noch das Original verwendet, sondern einen ausgewanderten neuseeländischen Musiker in Kalifornien beauftragt, den Soundtrack beizusteuern. Dass der erstaunlich ähnlich klänge, streiten Komponist und Audi New Zealand kategorisch ab. Man darf auf den Prozess gespannt sein. Im Jahr 2006 gewann Sänger Tom Waits eine Klage gegen Audi in Spanien, weil man seinen Sound treffend imitiert hatte.
In Fuemanas Fall ist es jedoch nicht so, dass die Hinterbliebenen was gegen Werbung hätten – nur gegen ’s Bescheißen. Denn zum TV-Spot des Müsli-Riegel „Tasti“ läuft munter „How Bizarre“. Aber dafür floss eine sechsstellige Summe.
Einen kleinen Obolus würden sich auch jene Südseeinsulaner wünschen, deren traditionelle Muster auf den Kleidern der New Yorker Designerin Nanette Lepore auftauchen. Die Promi-Schneiderin, die Michelle Obama und Scarlett Johansson zu ihren Kundinnen zählt, hatte die Motive als „aztekisch“ verkauft, was geschickt ist, denn die Azteken können nicht mehr klagen. Samoaner, Tonganer und Fidschianer sehr wohl.
„Passport to Style“ hatte die Modeschöpferin als Slogan über ihre Kleider geschrieben. „Passport to stealing“ nannte dagegen die Künstlerin Vaimoana Niumeitolu aus den USA die Werke. Immerhin erklärte Nanette Lepore: „Es tut mir sehr leid, das Azteken-Kleid falsch benannt zu haben. Ich respektiere örtliche Künstler.“ Damit ist sie in guter bis schlechter Gesellschaft. Ein neues Sporttrikot von Nike für Frauen sieht genauso aus wie ein Pe’a – die traditionelle Halbkörper-Tätowierung samoanischer Männer. Der kulturelle Fauxpas sorgte für Ärger von Auckland bis Apia, Nike hat sich entschuldigt. Damit dürfte die Botschaft auch für Audi klar sein: Nicht mit Polynesiern anlegen!
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