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Die WahrheitDer Fluch des Lötkolbens

Kolumne
von Michael Sailer

Schwabinger Krawall: Herr Reithofer und sein Talent für Elektrisches und den Umgang mit dem Lötkolben.

E in klassisches Röhrenradio, sagt Herr Reithofer und stellt das wuchtige Gerät auf den Küchentisch, das ihm die alte Frau Reibeis überlassen hat, weil es seit dreißig Jahren nicht mehr geht und nur noch als Blumentopfuntersetzer gedient hat, sei ein Kulturgut, klanglich dem modernen Digitalplempel haushoch überlegen und aufgrund seiner einfachen Bauweise praktisch unverwüstlich und von jedem Halblaien mit wenigen Handgriffen zu reparieren.

Skeptisch sieht seine Frau zu, wie er den Lötkolben aufheizt und sich mit einer Batterie von Schraubenziehern daran macht, das Gehäuse zu entfernen. Nachdem er dreimal abgerutscht ist, dabei die Einträge „Hilvers. II“ und „Duitschl. Z.“ auf der Einstellskala unlesbar gemacht und sich eine stark blutende Wunde am Handgelenk zugezogen hat, rötet sich Herrn Reithofers Kopf, und sie beschließt, sich lieber um die Wäsche zu kümmern.

Als sie aus dem Keller zurückkehrt, ist das Gerät immer noch nicht geöffnet. Herr Reithofer kündigt an, sich ein Bier aufzumachen, und holt den Hammer. Die Flüche und Schreie aus der Küche, die sich ins Fernsehprogramm mischen, führt seine Frau auf den Einsatz des Lötkolbens zurück, den ihr Mann bereits bei früheren Versuchen, Toaster und Haartrockner zu reparieren, als nutzloses modernes Gelumpe bezeichnet und mehrere Male aus dem Fenster geworfen hat.

Dann geht mit einem Schlag der Fernseher aus. Als sich ihr Mann mit der Erklärung, er falle nicht auf den Trick mit der geplanten Obsolvenz herein, daranmacht, die kaputte Sicherung sorgfältig in Alufolie einzuwickeln, wird es Frau Reithofer mulmig, und sie beschließt, einkaufen zu gehen.

Bei ihrer Heimkehr ist das gesamte Haus dunkel. Im Treppenhaus findet sie ihren Mann, der Herrn Hammler lautstark erläutert, es sei nicht untersagt, kleinere Reparaturarbeiten selbst durchzuführen, statt dem ausgeschämten Handwerkerpack den letzten Pfennig in den Rachen zu schmeißen. Herr Hammler betont ebenso lautstark, es sei auf jeden Fall verboten, das Haus in die Luft zu sprengen und seine Nachbarn in Lebensgefahr zu bringen.

Für Handgreiflichkeiten ist es zu dunkel, und nachdem der Elektronotdienst die Haussicherung wieder in Gang gesetzt hat, unternimmt Herr Reithofer einen letzten Versuch, der damit endet, dass er nach einem umfangreichen Fluch den Lötkolben aus dem Fenster wirft, das Radio zur Mülltonne trägt und erklärt, Mittelwellensender gebe es sowieso nicht mehr und er gehe jetzt ein Bier trinken, bevor ihm der Kragen platze.

Kurz darauf steht Frau Reibeis mit dem Gerät vor der Tür und meint, dies sei dasselbe Modell wie ihr altes, und wo ihr Mann so geschickt mit dem Elektrischen sei, könne er vielleicht auch dieses Exemplar wieder in Gang setzen. Mittelwellensender, sagt Frau Reithofer, gebe es sowieso nicht mehr, und ihr Mann interessiere sich neuerdings mehr für Laubsägearbeiten, aber sie könne das Gerät ja als Untersetzer für Blumentöpfe verwenden. Das sei gar keine schlechte Idee, sagt Frau Reibeis.

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