Die Wahrheit: Im Netz von Kim dem Großen
Neues aus Neuseeland: Keiner nervt momentan mehr durch mediale All-Präsenz in Aotearoa als der gebürtige Kieler Kim Schmitz.
I ch sollte diese Kolumne lieber umbenennen in „Neues aus Kimdotcomland“. Denn es vergeht keine Woche, in der der berühmteste Deutsche im Lande mich nicht auf Trab hält. Seit dem algerischen Flüchtling und vermeintlichen Terroristen Ahmed Zaoui hat kein Fremder mehr diese Nation so aufgemischt, und das ist zehn Jahre her. Keiner außer Kim Dotcom, geboren als Kim Schmitz. Kein Grund mehr zum Schämen, sondern Trittbrettfahren. Bald werde ich „embedded journalist“ in der Schlacht um das Reich Kim des Großen.
Es ist meine Korrespondentenpflicht, Schmitzens alte Heimat – voran die demnächst als Pilgerstätte geplante Wiege Kiel-Mettenhof – an dieser Stelle regelmäßig über den Wirbel zu unterrichten, den Mr Mega-Upload inszeniert. In den Buchläden steht seine Biografie „The Secret Life of Kim Dotcom“ mit einem Cover, das einen von Supermächten gejagten Weltall-Messias suggeriert. Auch von Aucklands Bussen grinst er breit, neben dem Titel „Good Times“: Kims neuer Song, dem Musikkritiker halbe Seiten gewidmet haben, wenn auch nicht nur anbetend. „Ansteckend wie ein Tripper“ seien die Beats, der Text so „dumpf wie ein Eimer Sand“.
Bei so viel dubioser Präsenz bitte nicht das Abo kündigen, sondern mit mir den Platz in der ersten Reihe einnehmen. Die Show geht jetzt erst richtig los. Wann je wieder wird es diese transkontinentale Achse der Internet-Befreiungsfront geben? Welcher Landsmann wurde je im Exil mit solchem Tamtam gefeiert und gleichzeitig vom FBI gejagt? Also: Hinsetzen und staunen, was man mit Chuzpe, Bullshit, dickem Polster und schlauen PR-Beratern alles aus sich machen kann. Oder zu deichseln versucht, um seine Auslieferung in die USA zu verhindern.
Sollte ich plötzlich nicht mehr auftauchen, dann gibt es dafür nur einen Grund: Auch ich bin plötzlich in „Dotcoms Netz“ gefangen. So nennen es hier die Zeitungen. Gerade kam heraus, dass Grünen-Chef Russel Norman Meetings mit dem digitalen Sonnenkönig hatte, um ihm die Gründung seiner Internet-Partei auszureden. Für die würde laut Umfrage jeder Fünfte im Lande stimmen. Dafür versichert die Opposition dem jetsettenden Anti-Öko, der dicke Wagen liebt, Unterstützung im Kampf gegen Hollywood. Auch der ehemalige Außenminister Winston Peters war mehrfach in Kims Villa. Über die Treffen schwieg er sich aus, es sei „Vertraulichkeit“ vereinbart worden. Er wiederum behauptet, von offizieller Seite beschattet worden zu sein. Der reinste Politthriller. Ende offen, in jeder Hinsicht.
Sollte diese Kolumne plötzlich Aussetzer haben, was so tief embedded im Jahr des Großen Kim wahrscheinlich ist, dann steckt der neuseeländische Geheimdienst SIS hinter der Störung. Die Spionagefirma ist zwar ab sofort in den Händen einer kompetenten und menschlich astreinen Frau. Aber trotz neuer Chefin traue ich den Agenten, die Dotcom illegal abhörten, alles zu. Wenn Menschen oder Texte verschwinden, liebe Whistleblower: Ich habe an dieser Stelle gewarnt. Bis dahin: „Good Times“!
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