Die Wahrheit: Die doppelte Buhlschaft
Randnotizen zu den Kommunalwahlen in Bayern: Im Allgäu treten Namensvettern an, am Riedbergpass bangt die schwärzeste Gemeinde um ihren Ruf.
Das Geplänkel der Parteien haben sie in der kleinen Gemeinde Obermaiselstein nie leiden können. Zur Kommunalwahl 2014 gibt es mal wieder keine Parteien, sondern nur eine „Einheitsliste“: Nix CSU oder Freie Wähler, null SPD, Grüne oder Linke. Die wollen sie nämlich nicht, die sturen Allgäuer, sie wollen die Persönlichkeitswahl. Aber bekommen sie auch genug Persönlichkeiten für ihre Liste zusammen?
Ein erster Blick lässt zweifeln: Zweimal steht da der gleiche Name, dahinter dieselbe Berufsbezeichnung. Bei der Kandidatenvorstellung klänge das so: „Grüß Gott, mein Name ist Stefan Buhl, ich bin selbständiger Zimmerermeister, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und im Schützenverein.“ Und der nächste Kandidat, bitte: „Grüß Gott, mein Name ist Stefan Buhl, ich bin selbstständiger Zimmerermeister, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und im Schützenverein.“
Tatsächlich, in dem 970-Einwohner-Ort im Landkreis Oberallgäu kandidieren zwei Namensvettern für den Gemeinderat. Wie aber soll der Wähler sie „auseinanderkennen“, wie der Wähler im Allgäu mundartlich sagt? Das dürfte schwierig werden. Stefan Buhl, der Ältere, meint: „Wir wollten Fotos aufstellen und einen Flyer produzieren lassen.“ Aber dagegen steht das kommunale Wahlrecht des Freistaats. „Ich durfte ja nicht mal meinen Spitznamen Polo angeben, unter dem mich jeder kennt!“
Apropos kennt: „Natürlich kennen wir uns, wir wohnen ja gerade mal 300 Meter auseinander. Und wir trinken schon auch mal ein Bier zusammen.“ Die Mütter der beiden haben übrigens denselben Mädchennamen – verwandt sind die Damen Zeller und Zeller aber trotzdem nicht.
In Balderschwang am Riedbergpass
Ganz andere Probleme haben sie in Balderschwang am Riedbergpass, in Deutschlands kleinster und am höchsten gelegener Gemeinde. Dort kämpfen die 310 Einwohner des Skidorfs an der deutsch-österreichischen Grenze um ihren guten Ruf als „schwärzeste Gemeinde Bayerns“. Vor Jahren trieb dort zwar mal ein unerschrockener SPD-Wähler sein Unwesen, eine gemeinsame Treibjagd der Balderschwanger mit Reportern aus dem Tal war jedoch ergebnislos verlaufen. Wahrscheinlich wird es einer der Hotelangestellten gewesen sein, die gelten als unsichere Kantonisten.
Und jetzt läuft Balderschwang Gefahr, das schwarze Alleinstellungsmerkmal tatsächlich zu verlieren. Die gewohnten Wahlergebnisse von nahezu nordkoreanischem Zuschnitt – Spitzenwert war schon mal 99,1 Prozent – könnten bald Geschichte sein. Der frühere Christsozialen-Chef und Skilehrer Luggi Endrös möchte am liebsten auf den Boden stampfen wie einst Rumpelstilzchen. „Unsere CSU-Hochburg Balderschwang ist in Gefahr!“, wettert er, denn sogar hoch oben am Riedbergpass dürfen EU-Bürger bei Kommunalwahlen abstimmen.
Ganz neu ist das freilich nicht, aber plötzlich stellen sie eben fast 40 Prozent der Wahlberechtigten. Waren es 2008 noch 170, sind es diesmal schon 241 wahlberechtigte EU-Bürger aus Ländern wie Österreich, Tschechien oder Rumänien – und sie alle dürfen die Geschicke Balderschwangs mitbestimmen, nur weil sie drei Monate dort oben gewohnt haben. Denn Luggi Endrös möchts schier zerreißen vor Wut. Das ist doch keine gescheite Demokratie mehr, wenn da jeder Zugereiste mitreden darf, mag manch Einheimischer denken.
„Überleg dir das genau“
Aber eigentlich mögen sie die Fremden, brauchen tun sie die Arbeitskräfte erst recht in den vielen Hotels, und ausländerfeindlich wollen die Balderschwanger schon gar nicht sein. Wenn nur diese verflixte Wahl nicht anstünde. „Unser Problem ist, dass die ja fast keinen kennen, der auf der Wahlliste steht“, bemängelt Wahlausschussmitglied Luggi „Herzblatt“ Endrös, der seinen Spitznamen einem Auftritt in der einst legendären Kuppelshow verdankt. Bürgermeister Werner Fritz, der nicht mehr antritt, stimmt dem Luggi zu. „Das ist doch der helle Wahnsinn. Viele sprechen so gut wie gar nicht Deutsch!“ Und wissen deswegen die Wohltaten und historischen Verdienste der bajuwarischen Einparteienherrschaft wohl nicht recht zu würdigen.
Weiter drunten im Tal spielt sich dagegen ein Wahlkrimi abgekochtesten Formats vor der herrlichen Alpenkulisse ab: Wir sind nun in Fischen, dort, wo der Weg nach Balderschwang abzweigt. Nach vielen einfarbigen Jahren gibt es da heuer erstmals etwas ganz Buntes und Außergewöhnliches: eine gemeinsame Liste von SPD und Grünen. Auf dieser Liste kandidiert als Parteiloser der Getränkemarktbesitzer Anton Maurer. Das heißt, er wollte kandidieren, bis ihm jemand einen gut gemeinten Rat gab. „Überleg dir das genau“, stand in dem anonymen Brief. „Wenn du die Liste unterstützt, werden wir den Getränkelieferanten wechseln.“ Daraufhin hat der Maurer seine Kandidatur zurückgezogen und sieht nun ein: „Ich kann das nicht riskieren, ich habe ein Geschäft.“
Der Spitzenkandidat dieser Liste, Politikwissenschaftler Jürgen Groß, zeigt Verständnis für den verzagten Kollegen. Benennen kann Groß, der an der Uni Hamburg forscht und im Allgäu lebt, den Urheber der Warnung aber nicht. Er vermutet nur, sie könne mit der Unterstützung zusammenhängen, die der Getränkehändler einem in Fischen umstrittenen Tunnel gewährt hatte. Die Polizei im nahe gelegenen Kempten teilte übrigens mit, sie wisse auch nicht, wer der Verfasser des anonymen Briefs sei. Es bleibt also spannend im Allgäu.
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