Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann...
… ist Teil der LGBT-Community. Aber wer gibt den Ton in der Gemeinde der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen an?
ist Teil einer großen Gemeinde, Community genannt. Genauer: LGBT-Community, die Gemeinde der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen. Diese 4-Buchstaben-Nummer ist aber nur die Kurzfassung der LSBTTIQ-Version, die Ts werden noch einmal aufgesplittet in Transsexuelle und Transgender, dazu kommen die Intersexuellen und die Queeren. Wer jetzt befürchtet, jemanden vergessen zu haben, klebt zur Sicherheit ein Sternchen drauf, so: *. Und wenn das alles nicht langt im Buchstabensalat, gibt es noch ein paar mehr zur gefälligen Auswahl: Q für Questioning (gemeint sind die unsicheren – vor allem jugendlichen – Homo-Anwärter), dann ein A oder S für die Straight Allies, also jene verbündeten Heteromenschen, die alle vorher Genannten mit in ihr Gebet einbeziehen. Und wer noch eine Schlusspointe braucht, beendet das Homo-Alphabet mit OW = Or Whatever.
Was alle diese Gruppen miteinander verbindet? Bestimmt nicht ihre höchst unterschiedliche Lebensweise. Vielmehr entsprechen sie nicht – homoideologisch korrekt gesprochen – der Heteronormativität. Wobei hier schon mal das eine oder andere Trans* widerspricht, schließlich lebt er oder sie mit aller Hingabe ganz heterosexuell. Auch sonst ist es bei genauerem Hinsehen nicht weit her mit der großen Gemeinschaft. Allein das L zu Beginn aller Reihungen ist ein Etikettenschwindel. Es steht nämlich mitnichten dafür, dass lesbische Frauen den Ton angeben. Das große Wort führen – so wie im wirklichen Leben – weiße Mittelschichtsmänner. Sie wissen, wo es langgeht, sind die Stärksten und Mächtigsten.
Hört man ihnen genauer zu, lernt man sehr schnell, dass sie von all den Übrigen niemanden wirklich ernst nehmen. Lesben verachten sie, weil sie nichts anderes sind als Frauen, Trans* sind Lachnummern für die Bühne und Nullnummern im Bett, Bisexuelle sind verklemmte Verkappte – und der Rest zählt sowieso nicht. Die einzigen, an denen sich die Gays, die schwulen Männer, messen und abarbeiten, sind ihre Kumpel von der Hetero-Front.
Als im vergangenen Jahr das heterosexuelle Sixpack-Magazin GQ die werbetechnisch höchst erfolgreiche Kampagne „Mundpropaganda“ mit sich küssenden Heteromännern zündete, japsten die schwulen Zaungäste von einem Klimax zum nächsten. Das erotische PR-Feuer wurde überhaupt nicht dadurch gemindert, dass eben dieses Blatt zuvor einen Text veröffentlicht hatte, der richtige Kerle dazu animierte, lesbische Frauen mal ordentlich ranzunehmen, damit sie wieder aufs richtige Gleis kommen – in Südafrika wird so was „corrective rape“ genannt. So viel zur Solidarität der Gruppen.
Auch ansonsten verschwinden Lesben inzwischen völlig von der Bildfläche, selbst jedes Mainstreammedium spricht heute gänzlich ungeniert von der „Schwulenehe“, der „Schwulenparade“, der „Schwulenbewegung“ und meint die Frauen doch mit. Auf Einspruch der Schwulen wartet man auch hier vergebens, schließlich sind sie die Herren der LGBTXYZ-Welt. Und niemand sonst.
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