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Die WahrheitDer homosexuelle Mann...

Kolumne
von Elmar Kraushaar

… ist Teil der LGBT-Community. Aber wer gibt den Ton in der Gemeinde der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen an?

ist Teil einer großen Gemeinde, Community genannt. Genauer: LGBT-Community, die Gemeinde der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen. Diese 4-Buchstaben-Nummer ist aber nur die Kurzfassung der LSBTTIQ-Version, die Ts werden noch einmal aufgesplittet in Transsexuelle und Transgender, dazu kommen die Intersexuellen und die Queeren. Wer jetzt befürchtet, jemanden vergessen zu haben, klebt zur Sicherheit ein Sternchen drauf, so: *. Und wenn das alles nicht langt im Buchstabensalat, gibt es noch ein paar mehr zur gefälligen Auswahl: Q für Questioning (gemeint sind die unsicheren – vor allem jugendlichen – Homo-Anwärter), dann ein A oder S für die Straight Allies, also jene verbündeten Heteromenschen, die alle vorher Genannten mit in ihr Gebet einbeziehen. Und wer noch eine Schlusspointe braucht, beendet das Homo-Alphabet mit OW = Or Whatever.

Was alle diese Gruppen miteinander verbindet? Bestimmt nicht ihre höchst unterschiedliche Lebensweise. Vielmehr entsprechen sie nicht – homoideologisch korrekt gesprochen – der Heteronormativität. Wobei hier schon mal das eine oder andere Trans* widerspricht, schließlich lebt er oder sie mit aller Hingabe ganz heterosexuell. Auch sonst ist es bei genauerem Hinsehen nicht weit her mit der großen Gemeinschaft. Allein das L zu Beginn aller Reihungen ist ein Etikettenschwindel. Es steht nämlich mitnichten dafür, dass lesbische Frauen den Ton angeben. Das große Wort führen – so wie im wirklichen Leben – weiße Mittelschichtsmänner. Sie wissen, wo es langgeht, sind die Stärksten und Mächtigsten.

Hört man ihnen genauer zu, lernt man sehr schnell, dass sie von all den Übrigen niemanden wirklich ernst nehmen. Lesben verachten sie, weil sie nichts anderes sind als Frauen, Trans* sind Lachnummern für die Bühne und Nullnummern im Bett, Bisexuelle sind verklemmte Verkappte – und der Rest zählt sowieso nicht. Die einzigen, an denen sich die Gays, die schwulen Männer, messen und abarbeiten, sind ihre Kumpel von der Hetero-Front.

Als im vergangenen Jahr das heterosexuelle Sixpack-Magazin GQ die werbetechnisch höchst erfolgreiche Kampagne „Mundpropaganda“ mit sich küssenden Heteromännern zündete, japsten die schwulen Zaungäste von einem Klimax zum nächsten. Das erotische PR-Feuer wurde überhaupt nicht dadurch gemindert, dass eben dieses Blatt zuvor einen Text veröffentlicht hatte, der richtige Kerle dazu animierte, lesbische Frauen mal ordentlich ranzunehmen, damit sie wieder aufs richtige Gleis kommen – in Südafrika wird so was „corrective rape“ genannt. So viel zur Solidarität der Gruppen.

Auch ansonsten verschwinden Lesben inzwischen völlig von der Bildfläche, selbst jedes Mainstreammedium spricht heute gänzlich ungeniert von der „Schwulenehe“, der „Schwulenparade“, der „Schwulenbewegung“ und meint die Frauen doch mit. Auf Einspruch der Schwulen wartet man auch hier vergebens, schließlich sind sie die Herren der LGBTXYZ-Welt. Und niemand sonst.

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6 Kommentare

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  • letztendlich werden hier Frauen und Lesben sehr negativ dargestellt, als unsichtbar oder nicht vorkommen sich aber sich auch nicht durchsetzen können. Meine Erfahrung ist das Frauen oft eine andere Vorstellungen haben wie sie ihr leben gestallten und selbstbewusst sind wen sie nicht so siechbar werden ist das oft eine sehr bewusst getroffene Endscheidung und hat wenig damit zu tun das sie nicht in der lange wären ihre Interessent durchzusetzen. Hier legt man eine vergleichende Messlatte an ohne auf die Interessenlage der einzelnen Gruppen einzugehen. Frau sind stark und oft sehr viel konsequenter wie Männer. die taz sollte mal ihr Frauenbild überprüfen was sie unterschwellig verbreitet

  • Teil 1) Mir scheint dieser Artikel doch etwas zu sehr zu verallgemeinern.

    Da ist ja praktisch die Rede von den egoistischen und unsolidarischen Schwulen.

    Ich habe als Schwuler schon vor Jahrzehnten mit Lesben zusammengearbeitet und schwul-lesbische Projekte hochgezogen.

    Das gibt es nämlich durchaus auch - und nicht zu knapp.

     

    Das besagte Mundpropaganda-Magazin ist mir persönlich durch eben diese Aktion überhaupt erst aufgefallen. Sicher hätte ich mich mich mit Lesben solidarisiert, wenn ich überhaupt etwas von deren Geschreibsel gewusst hätte. Vielen anderen geht das eben auch so.

    Ansonsten wurde diese ganze Mundpropaganda-Geschichte auch unter Schwulen nicht überall gleich gut aufgenommen.

     

    Sicher ist an diesem Artikel auch etwas dran; durch diese verallgemeinernde Sichtweise wird aus dessen Inhalt allerdings eine Halbwahrheit, welche - wie Halbwahrheiten es gerne tun - eher aufstachelt und Fronten schafft, statt sachlich aufzuklären.

     

    Fange ich an zu verallgemeinern, könnte ich auf die Frage nach diesem lesbischen Schattendasein in der "Community" nämlich eine Gegenfrage stellen:

     

    Wo sind in den Städten die lesbischen Infrastrukturen, Bars, Clubs, Diskotheken uvm.?

     

    Viele schwule Kneipen, Clubs usw. haben eben nicht nur (fast) ausschließlich schwules Publikum, sondern wurden eben auch von Schwulen eröffnet.

     

    Schaue ich mir internationale Gay-Guides an, dann kann ich lesbische Treffpunkte in diversen Städten mit der Lupe suchen.

     

    In meiner Heimatstadt gab es früher eine Lesbenparty im Monat. Später wurde dieser Abstand immer weiter vergrößert, weil wohl nicht nur die Besucherzahl zu niedrig war, sondern weil sich nie genügend ehrenamtliches Personal traf.

  • Teil 2) Lesbenlokale gibt es hier weit und breit nicht.

     

    Wenn hier von weißen Mittelstandsmännern die Rede ist, sollte durchaus die Frage erlaubt sein, wo denn die Lesben bleiben? Diese werden schließlich vom LSVD u.ä. nicht abgewiesen.

    Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der LSVD ein extrem lesbenunfreundliches Klima bietet, stelte sich immer noch die Frage, weshalb es dann parallel keine entsprechende Lesbenorganisation gibt.

     

    Ich kenne einige schwul-lesbische Vereine, in denen beide "Parteien" engagiert Hand in Hand zusammenarbeiten.

     

    Gehen aber die Lesben gerne mal unter, halte ich es für vermessen, eine Schuldfrage daraus zu konstruieren, welche den Schwulen den schwarzen Peter zuschiebt.

     

    Dass männliche Homosexualität innerhalb der Gesellschaft zumeist ein weitaus größeres Fass aufmacht als weibliche, ist ja nun nicht den Schwulen geschuldet - im Gegenteil. Diese waren immer wieder seit biblischen Zeitaltern (und darüber hinaus) Opfer dieser Situation.

     

    Auch zur Zeit des Nationalsozialismus erfasste der Paragraph 175 ausschließlich Männer und wurde für nicht wenige Schwule zur Todesfalle.

     

    Dieser Paragraph verschwand auch nach dem Krieg nicht und schloss auch zukünftig keine Frauen ein.

     

    Dass männliche Homosexualität als "bedeutender" gewertet wurde, stellte für Schwule keine Auszeichnung dar, sondern malte ihnen ein Zielkreuz auf den Körper und rückte ihre vermeintliche Abartigkeit ins öffentliche Licht.

     

    Den historischen Gegebenheiten (und evtl. der männlichen Sexualität) dürfte es geschuldet sein, dass die schwule Szene besser vernetzt ist u. weitaus mehr Anlaufpunkte existieren.

     

    Wer hier nun einen Artikel schreibt und nicht wirklich differenziert ansetzt, kommt über den Status eines Sündenbock- und Buhmann-Suchers nicht hinaus.

    • @Benjamin Wiegand:

      Selbstverständlich hat der Mann den schwarzen Peter. So läuft es immer: Frauen treffen die falschen Entscheidungen, engagieren sich zu wenig, aber wer hat Schuld? Der Mann!

       

      Der schwule Mann ist zwar besser als der heterosexuelle, aber nach wie vor trägt er den männlichen Makel.

  • Ich finde es gut, dass das mal offen ausgesprochen wird. Leider sind da selbst viele Lesben so konditioniert, dass sie die Wahrheit nicht sehen möchten oder können. Das zieht enorme Energien weg in jeglicher Hinsicht und ist mitunter zum Verzweifeln.

  • Ein großer Dank von einer Lesbe - wo sind sie hin die linken, emanzipierten, solidarischen Schwulen? Ab und an melden sie sich, das ist gut!