Die Wahrheit: Bettina Wulff in Kerkerhaft
Tagebuch einer Menschenmarkenbeobachterin: Was macht eigentlich die ehemalige Präsidentengattin? Posen, bis der neue Job kommt.
D er Mensch ist unfair und parteiisch. Im Stadion „Alte Försterei“ in Berlin brüllen die Union-Fans, während die gegnerische Aufstellung bekanntgegeben wird, nach jedem Namen „Ja und?“, die Nennung jedes eigenen Spielers bejubeln sie dafür mit „Fußballgott!“. Ihre Welt zerfällt in Götter und Nobodys, und Fußballgötter werden, selbst wenn sie wie Nobodys spielen und sich von Nürnberg eine Vier-zu-null-Klatsche holen, am Ende minutenlang gefeiert.
Anders als das Union-Verliererteam mag sich Bettina Wulff nach Ablauf ihrer Spielzeit im Schloss Bellevue gewünscht haben, von der Bundespräsidentengöttin übergangslos zum Niemand zu werden. Da sie aber neun von zehn befragten Menschen bekannt ist – wenn man dem SZ Magazin glauben darf, das ihr eine Titelgeschichte widmete –, funktioniert das nicht. Nun sieht man sie auf dem Magazin-Cover allein und barfuß wie in Kerkerhaft in der Dunkelheit sitzen, von irgendwoher fällt schwaches Licht, ihr Blick ist gesenkt, die Hände um die Stuhlkante gekrampft. Betitelt ist die Inszenierung in blöd-brutaler Abwandlung eines Filmtitels mit „Weiblich, erledigt, jung sucht …“. Ja, was?
Arbeit, so klärt der zugehörige Artikel auf. Die ist, seit Bettina Wulff – wie das SZ Magazin es so nett ausdrückt – „erledigt“ ist, nicht so leicht zu finden und soll sich ja außerdem noch lohnen. Laut Umfrage halten 80 Prozent der Befragten sie für „selbstbewusst“ und „weiblich“, 77 Prozent für „ehrgeizig“, aber nur 44 für „sympathisch“, weshalb sie einen sogenannten „Marketier“ (sprich: „Marketié“) beschäftigt, der die Aufgabe hat, aus ihr eine „Menschenmarke“ zu machen. Vereinfacht gesagt, geht es darum, eine als unsympathisch Wahrgenommene in eine Sympathieträgerin zu verwandeln und ihr zu einem lukrativen Job zu verhelfen.
Ist die Öffentlichkeit erst ins eigene Leben eingedrungen, ist es schwer, sie wieder rauszuwerfen, und wer nie von ihr gedisst wurde, kann auch nicht beurteilen, was man vielleicht täte, um sie umzustimmen. Es bleibt allerdings ein Rätsel, was einen „Marketier“ bewegt, jene Öffentlichkeit, die seiner Kundin ohnehin nicht gewogen ist, via Printmedium mit Informationen über Hindernisse und Erfolge auf dem Weg zu ihrer Verwandlung – inklusive des Endziels „Monetarisierung“ – zu versorgen. Irgendwie beschleicht einen ein „Ja und?“-Gefühl, daran können auch traurige Fotos wie aus dem Psychopharmaka-Katalog nichts ändern.
Was spricht eigentlich dagegen, dem Teil der Öffentlichkeit, dem man nicht sympathisch ist, unsympathisch oder gleichgültig zu bleiben und langsam zum nichtöffentlichen, leidlich sympathischen Niemand zu werden, dessen Monetarisierungsziele zwar nach unten angepasst werden müssten, der aber zufrieden wäre, wenn er an einem normalen Tag immerhin fast der Hälfte der Menschen, die ihm begegnen, sympathisch ist. Ein Haufen Leute, zum Beispiel Politiker oder Parkknöllchenverteiler, würden so viel Öffentlichkeitsliebe begeistert begrüßen. Und an schlechten Tagen hilft dann ein kräftiges „Ja und?“.
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