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Die WahrheitErbe des Urlaubs

Kolumne
von Jenni Zylka

Eine Woche Ostsee mit Kindern und Oma: Es war wie im Frauenknast, nur ohne interessante lesbische Erfahrungen.

E ine Woche Ostsee mit Kindern und Oma im Rollstuhl hat unterm Strich nicht wirklich zur Entspannung beigetragen. Eigentlich war es wie im Frauenknast, nur ohne interessante lesbische Erfahrungen. Die Wetterverhältnisse und Omas schlimmes Bein fesselten uns meist an die Fewo, die aufgrund ihrer Größe von Oma binnen drei Minuten komplett mit Lord-Extra-Qualm eingeräuchert wurde, denn sie war mit dem Rolli nicht in der Lage, die hohe Schwelle zur Terrasse zu überwinden.

Ich versuchte zwar, das Gute zu sehen: Während sie raucht, raucherhustet sie immerhin nicht – so wie jede Nacht ab circa vier Uhr. Doch nachdem uns beim abendlichen Aschenbecherhinausstellen eine Motte groß wie Tutulla ins Nichtraucherappartement flatterte, und ich feststellen musste, dass ich die einzige anwesende Erwachsene mit komplett funktionierenden Gliedmaßen war, fiel meine Laune etwas in den Keller.

Dramaturgisch hatte ich den Höhepunkt des Freizeitangebots am dritten Tag ausgemacht, an dem die „Keramikmalstraße, auch bei schlechtem Wetter!“ in der Nähe der Fewo-Anlage haltmachen sollte. Doch jene angebliche Straße entpuppte sich als kleines Zelt, in dem man ab acht Euro weiße Keramikkatzen, -leuchttürme oder -thermometer lackieren konnte. So lockte das Angebot Oma, die vorher groß getönt hatte, sie wolle unbedingt einen Aschenbecher bemalen, nicht hinter dem Ofen hervor, als ich es ihr mit der Aussage „Aber das kennst du doch aus der Reha!“ schmackhaft machen wollte. Und die Kinder malen in ihrer aktuellen Tabletop-Strategiespiel-Phase ohnehin nichts an, was keine Waffe trägt.

Am vierten Tag ging eines der Kinder verloren, und der Gedanke, dass man von einer Insel ja nicht so schnell verschwinden kann wie auf dem Festland, wo den ganzen Tag Kinderdiebe und Organhändler in SUVs mit getönten Scheiben herumfahren, tröstete mich zwar – außerdem trug das Kind den Lego-Clubausweis mit sich und würde zur Not ins Legoland zurückgeschickt werden. Dennoch hatte ich nach drei Stunden Inselrundgang die Nase voll. Der Sohn wartete zu Hause vor der Tür und weigerte sich, hundertmal „Ich muss mein Handy aufladen“ zu schreiben, mit dem Argument, es seien schließlich Ferien.

Am fünften Tag beschloss ich, dem Frauenknast für einen Abend zu entfliehen und ging in die Bar des größten Inselhotels. Dort sollte eine irische Glatze mit Gitarre Cliff-Richard-Songs interpretieren, was unter gegebenen Umständen paradiesisch klang. Leider schien ich das Roger-Whitaker-Set erwischt zu haben. Nach einem Zwist mit der Thekenkraft, die sich weigerte, einen „Wodkatini“ zu mixen, huschte ich zurück zu Oma, die wie eine kleine Dampflokomotive vor dem Fernseher saß und eine Dokumentation über Senioren in Israel guckte, die vom Arzt gedrehte Marihuana-Joints gegen ihre Zipperlein verschrieben bekommen.

„Komm bloß nicht auf dumme Gedanken“, sagte ich zu ihr. Sie verzog nicht die Miene. Sie hat etwas sehr Lakonisches, das würde ich irgendwann gern mal von ihr erben.

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