Die Wahrheit: Irisch-finnische Verzweiflung
Die Finnenwoche der Wahrheit: Iren und Finnen sind sich gar nicht so unähnlich. Würden die Nordleute nicht immer alles gleich wörtlich nehmen.
J im war fix und fertig. Er saß im Dubliner Brian Boru Pub, benannt nach dem irischen Hochkönig, der vor tausend Jahren in der Schlacht von Clontarf gefallen ist. Jim kippte einen Whiskey nach dem anderen in sich hinein. „Wir waren im Sommer in Finnland“, erzählte er. „Es war großartig, aber anfangs auch gewöhnungsbedürftig.“ Es gebe fünf Millionen Finnen und zwei Millionen Saunen in dem Land, und warum man freiwillig in einen Glutofen steigen wolle, sei für Iren schwer nachvollziehbar, sagte Jim.
Dann lernten Jim und seine Frau in einer Kneipe in Savonlinna ein einheimisches Pärchen kennen. Jim verstand sich auf Anhieb mit Altti. „Er war zunächst sehr scheu und zurückhaltend, aber mit der Zeit taute er auf“, sagte Jim. „Das merkte ich daran, dass er nicht mehr länger auf seine eigenen Fußspitzen schaute, wenn er mit mir sprach, sondern auf meine.“ Falls er und seine Frau irgendwann noch einen Sohn bekommen sollten, so versprach Jim, würden sie ihn Finn taufen. Das sei hübsch doppeldeutig, denn auf Irisch bedeute das „blond“.
Finnen und Iren haben so viel gemein, seufzte Jim, zum Beispiel die Sauferei. „Was ist der Unterschied zwischen einer finnischen Hochzeit und einer finnischen Beerdigung?“, fragte er und gab gleich die Antwort: „Bei einer Beerdigung trinkt eine Person keinen Wodka.“
Außerdem haben die Finnen eine ähnliche Vorliebe für idiotische Wettkämpfe wie die Iren: „Sie halten laut Guinness-Buch der Rekorde die Weltbestleistungen für das Tragen von Ehefrauen, den Handyweitwurf, das Mückenfangen und die Luftgitarre.“ Im Grunde müsse man die Finnen ja mögen, fügte er hinzu.
Eine Finnin stellte neulich in einem irischen Forum allerdings die törichte Frage, was die Iren von den Finnen halten. Die Antworten waren vorhersehbar: „Finnen sind cool, ich liebe Abba, Björn Borg und Arnie Schwarzenegger“, schrieb eine Crackity Jones. Und ein gewisser Euro-Kraut meinte: „Okay, solange ihr nicht so rassistisch seid wie diese verdammten Belgier.“
Jim bestellte sich einen weiteren Whiskey und stöhnte: „Die Kinder wollen unbedingt wieder nach Finnland, weil Altti ihnen weisgemacht hat, dass Joulupukki im Norden des Landes wohnt. Das ist der Weihnachtsmann, und die irischen Reisebüros bieten wie jedes Jahr exorbitant teure Weihnachtskurztrips nach Lappland an. Leider können die Kinder inzwischen die Reisekataloge lesen.“
War er deshalb so verzweifelt? „Nein, es ist viel schlimmer“, sagte Jim. „Finnen nehmen alles wörtlich. Ich hätte es wissen müssen. Wenn ich Altti mit ,Wie geht’s?‘ begrüßte, erzählte er mir tatsächlich haarklein, wie es ihm ging, obwohl mir das schnuppe war. Trotzdem machte ich einen entscheidenden Fehler: Ich lud Altti und seine Familie nach Irland ein, wie man das eben so sagt.“ In Irland nimmt niemand den Satz „Kommt doch mal vorbei“ ernst. In Finnland ist das offenbar anders. „Ende des Monats kommen sie zu fünft und wollen zwei Wochen bei uns wohnen“, schluchzte Jim. „Unseren zukünftigen Sohn werden wir garantiert nicht Finn taufen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!