Die Wahrheit: Zollstock statt Schlagstock

Dass irische Politiker korrupt sind, weiß jeder auf der grünen Insel. Dass sie auch massiv Steuern hinterziehen, hätte man sich denken können.

Na, so was. Irische Politiker bis hinauf zu Ministern umgehen Steuern. Das hat ein Regierungsbeamter behauptet, und er habe Beweise dafür. Dabei hatten die Iren bisher gedacht, die Bagage wäre lediglich korrupt. Nun hinterzieht sie auch noch Steuern – und das, obwohl ein irischer Minister so viel Geld wie der US-Präsident bekommt.

Die Sache laufe schon seit Jahren, es gebe geheime Bankkonten, deren Eigentümer zu den Spitzen der Politik gehören, sagt der Beamte. Minister und Behörden haben die Vorwürfe nicht weiter verfolgt, obwohl ihnen die Beweise vorlagen. Der Gärtnerbock weigert sich, gegen den bockigen Gärtner Untersuchungen einzuleiten? Der Beamte hat nun das gesamte Material den Mitgliedern des Finanzausschusses überreicht. Am Donnerstag berieten die Empfänger – ebenfalls Politiker – hinter verschlossenen Türen darüber.

Aber Untersuchungen bringen auch nichts. Zwischen 1992 und 2010 hat es 32 Tribunale über Korruption in öffentlichen Ämtern gegeben. Berühmt wurden die Ermittlungen gegen drei frühere Premierminister und zahlreiche ihrer Kabinettsmitglieder. Obwohl ihnen Bestechlichkeit im großen Stil nachgewiesen wurde, hatte das keine Konsequenzen – außer für den Unternehmer, der Bestechungsgelder gezahlt hatte. Er musste für zwei Jahre ins Gefängnis. Die Kosten der Untersuchungen in Milliardenhöhe wurden von den Steuerzahlern beglichen.

Zu denen wollen Politiker nicht gehören. Warum auch, wo sie doch ein System geschaffen haben, das es multinationalen Unternehmen mit Hauptsitz in Irland ermöglicht, sorglos steuerfreie Milliardengewinne anzuhäufen? In dem Dossier über Luxemburgs großzügige Steuerarrangements, das vorige Woche veröffentlicht wurde, tauchen irische Unternehmen recht häufig auf.

Da nur Normal- und Geringverdiener Steuern zahlen, muss man sie weiter schröpfen, damit Geld in die Kasse kommt. So erfinden irische Politiker immer neue Steuern, zuletzt die Wassersteuer. Doch damit ist man zu weit gegangen, den Iren ist der Kragen geplatzt. Kürzlich demonstrierten rund 140.000 Menschen in mehr als 70 Städten. Die Handwerker, die Wasseruhren einbauen sollen, wurden in vielen Siedlungen davongejagt, so dass die Regierung verordnet hat, dass man mindestens 20 Meter Abstand zu ihnen halten muss. Tauscht die Polizei jetzt ihre Schlagstöcke gegen Zollstöcke ein?

Unter dem Druck der Bevölkerung bereitet die Regierung die Überarbeitung eines Gesetzes von 1889 vor: Wer der Korruption überführt wird, soll zehn Jahre lang kein politisches Amt bekleiden dürfen. Netter Versuch. Die Regierungspartei Fine Gael ist unten durch. Ihre Politiker werden in den verbleibenden anderthalb Jahren bis zu den nächsten Wahlen abkassieren, wo sie nur können. Danach kommen sie ohnehin für zehn Jahre nicht mehr an die Fleischtöpfe. In der Zeit kann die megakorrupte Oppositionspartei wieder ihr Schäfchen ins Trockene bringen. Die Iren sind dusselig genug, eine der beiden Parteien immer wieder an die Macht zu wählen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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