Die Wahrheit: Ebola auf Rädern
Neues aus Neuseeland: Ausländische Autofahrer sind wie Killerviren. Glaubt man der öffentlichen Hysterie, sind Touris am Steuer die größte Gefahr.
T ief im Süden ist es Hochsommer. Das ist schön. Die Touristen kommen. Das ist weniger schön. Denn sie mieten sich Autos und Wohnmobile. Schreckliche Vorstellung für uns Einheimische! Nicht nur deshalb, weil man diese weißen Trumms nicht überholen kann. Viel schlimmer: Was da ungebremst die Grenze passiert und im Schneckentempo jede Bergstraße verstopft, ist Ebola auf Rädern.
Ausländische Autofahrer, so schallt es aus Talkback-Radio und Schlagzeilen, sind wie Killerviren. Eingeschleust, um die Zahl der Kiwis – der Bürger, nicht der Vögel oder Früchte – brutal zu dezimieren. Glaubt man der öffentlichen Hysterie, sind Touris am Steuer die größte Gefahr auf Neuseelands Straßen. „Foreign driver“ klingt so nett wie „Selbstmordattentäter“.
Es hat zu viele Unfälle gegeben. Im letzten Jahr fuhr ein vom 30-Stunden-Flug übernächtigter Holländer auf einer einsamen Landstraße durch ein Stoppschild und krachte in einen Geländewagen. Am Morgen des Unglückstages hatte er bereits sein erstes Mietauto in den Straßengraben gesetzt. Beim zweiten Crash kollidierte er mit einer Familie aus Christchurch, die ins Wochenende fuhr. Mutter, 12-jährige Tochter und deren Freundin starben auf der Stelle. Der Todesfahrer kam mit einer Geldstrafe davon.
Der Linksverkehr macht’s noch schlimmer. Im November starben drei Touristen aus Hongkong in der Nähe von Wanaka in ihrem Kleinbus, als sie auf der falschen Seite der Straße in einen Laster mit Anhänger rasten. In dieser Postkartengegend der Südinsel, vor allem rund um Queenstown, sind ausländische Besucher im Sommer in ein Viertel aller Verkehrsunfälle verwickelt. Insgesamt sind Ausländer jedoch nur für zwei Prozent aller Verkehrstoten verantwortlich. Dennoch folgte der xenophobe Aufschrei: Lasst sie gefälligst nach der Ankunft am Flughafen einen Fahrtest absolvieren, bevor sie auf uns losgelassen werden!
Dazu wird es nicht kommen, aber zu anderen Maßnahmen: Aufklärungsvideos im Flugzeug, deutliche Sticker – zum Beispiel ein großes „R“ für „rental car“ – auf den Mietwagen. Nein, keine gelben Touristensterne, noch nicht. Oder ein großes „A“ für „Asiaten“. Denn in der Volkswahrnehmung sind angeblich „Asian drivers“ die schlimmsten. Ein Japaner wurde zu einer Geldstrafe und sechsmonatigem Fahrverbot verdonnert, weil er ständig Kurven schnitt. Jemand hinter ihm fotografierte und verpfiff ihn. Begründung vor Gericht: Seiner Frau sei im Auto übel geworden, daher habe er die Kurven ausgelassen.
Auch Südseeinsulaner werden es in Zukunft auf Neuseelands Straßen schwerer haben. In Fidschi, Tonga und Samoa trinkt man nämlich gerne Kava – ein leicht betäubendes Wurzelgebräu, das traditionell aus Kokosschalen geschlürft wird. Solche Bräuche gibt man als Immigrant ungern auf. Doch auch Kava knallt ganz schön, wie die Universität Auckland in einer Studie festgestellt hat. Wer innerhalb von 12 Stunden nach dem Genuss Auto fährt, endet dreimal häufiger in einem Unfall. Ganz schön prostlos!
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