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Die WahrheitLaktose-Nazi-Intoleranz

Kolumne
von Joachim Frisch

Wenn man Latte macchiato mag, aber keine laktosehaltige Milch verträgt, dann muss man kotzen – besonders über die kleinbürgerlichen Kommentare.

I ch bin intolerant, laktoseintolerant. Und ich mag Latte macchiato. Aber auf Latte macchiato mit laktosehaltiger Milch muss ich kotzen. Also trinke ich Latte macchiato mit laktosefreier Milch. Das klingt unproblematisch, der Latte schmeckt, der Magen bleibt ruhig, und doch führt das letzten Endes zum gleichen Ergebnis: zum Kotzen.

Schon beim Bestellen komme ich mir fehl am Platz vor, wie ein Muslim beim Pegida-Aufmarsch. In den Kleinbürgercafés bellt die Bedienung ein bissiges: „Lakto-was-frei? Wir haben nur Kuhmilch.“ In den Gaststuben des Proletariats blafft es nicht weniger schroff „… nur Dosenmilch“.

An Nord- und Ostsee ernte ich so viel Verständnis, als hätte ich eine Runde Crack geordert. In Bayern knurrt der Wirt in Richtung Küche: „Scho wiada so a Lakto-Saupreis“, und zu mir: „Homma net, kriagama a net.“

Es bleiben die hellblaurosa tapezierten Kaffeestuben im Neo-Biedermeier-Stil. Dort gibt’s laktosefreien Latte satt. Doch es liegen Zeitungen und Zeitschriften herum, in denen launige Glossen wortmächtig das Konsumieren laktosefreier Nahrung als Inbegriff der gentrifikatorischen Dekadenz anprangern. Der Laktoseverächter ist der neue Watschenfred des Qualitätsjournalismus und Erbe des nach Berlin eingewanderten Schwaben sowie der Helikoptermutter auf dem Prenzlauer Berg. Obwohl mir der Vorwurf des großstädtischen Öko-Snobismus mehr Ehre als Pein ist, verursacht mir diese Glossensülze doch erhebliche Magenschmerzen.

Ein Shitstorm voller Neid

Es ist dieses ewig deutsche Gezeter und Gemaule über alles, was sich von der Norm entfernt, eine tief verwurzelte Abneigung gegen alles Neue, Andersartige, Schillernde, Anmaßende, Abgehobene, das die Spießer jeder Couleur vereint. Wer in den Augen dieser Einfaltspinsel glaubt, etwas Besseres zu sein, den trifft ein Shitstorm voller Neid, Hass, Frust, Furcht und Gehässigkeit. Und wer wirklich etwas Besseres ist, den um so mehr. In diesem teutonischen Kleinbürgermief gedeiht die Laktose-Intoleranz-Intoleranz wie ein Kürbis auf dem Kompost. Zum Kotzen eben.

Hätte ich das Glück, als Auslandskorrespondent für ein liberales angloamerikanisches Magazin in Berlin arbeiten zu dürfen, würde ich den Begriff „Laktose-Nazi“ auf den Markt der Wortschöpfungen werfen. Aus Deutschland heraus werden Nazi-Vergleiche immer wie eine Verharmlosung der Nazisozialisten wirken, aus Sicht der Nazi-Bezwinger aber treffen sie oft voll ins Schwarze beziehungsweise Braune.

Aus dieser Sicht ist der Nazi nämlich größtmöglicher Schrecken und zugleich denkbar lächerlichste Figur, weil meist ein harmloser Wicht, der eine Sache allzu verbissen sieht. Aber leider muss ich mich der deutschen Anschauung bedienen. Also verkneife ich mir den Laktose-Nazi und begnüge mich damit, der Laktose-Intoleranz-Intoleranz meine Duldung zu versagen, was dann logischerweise Laktose-Intoleranz-Intoleranz-Intoleranz heißt.

So könnte ich endlos weitermachen, aber zum Glück findet diese Kolumne jetzt ganz tolerant und duldsam ihr Ende.

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5 Kommentare

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  • Was ist eigentlich der psychologische Hintergrund, wenn sofort und ständig Nazi-Vergleiche gebastelt werden? In diesem Fall ja auch nur, weil eine verzärtelte Konstitution nicht überall gleich bedient werden kann?

    Dass die typische Berliner Alimentationsmentalität, eine luxeriös verwöhnte zumal, überall dort, wo sie nicht ihre subventionsgeschmierte Überflussoase vorfindet, gleich durchdreht und Verschwörungsdenken vermutet, muss man viel eher zum Kotzen finden.

  • very nice

     

    ich denke aber, auch wir deutschen sind inzwischen soweit, dass wir solche hirnis locker als nazis bezeichnen koennen. der staendige querverweis auf unsere vorfahren ist langsam abgelaufen.

    ausserdem wollen wir ja nicht, dass die nazis von heute mit den nazis von frueher gleichgesetzt werden. damit waeren sie dann doch mit zuviel ernsthaftigkeit bedacht, und die titulierenden waeren wieder bei dieser beruehmt deutschen verbissenheit angelangt, von der wir uns doch mal kollektiv trennen wollten

    • @the real günni:

      Ja, genau, und weil der "Nazi" nur noch ein Detail der Geschichte ist kann man den Begriff jetzt inflationär für alle, die einem gerade nicht in den Kram passen verwenden.

      Quasi als Gegenstück zum "Opfer".

      Zukünftiger O-Ton in einer Kreuzberger Kneipe:

      "Ich hab doch schon gesagt, wir haben kein glutenfreies, alkoholfreies Bier, Du Opfer!"

      "Dann besorgt es gefälligst bis nächsten Freitag, Ihr Nazis!"

      "Da muss ich mal den Chef fragen."

       

      Also sind "Nazis" jetzt ganz allgemein irgendwelche Leute, die mir im Moment ein bisschen auf den Geist gehen (aber ansonsten nicht so schlimm sind).

       

      Echt putzig, das Neusprech!

  • Latte macchiato mit laktosefreier Milch.... möglisch ohne Coffein?

    .

    Fleischfrei Würstchen

    Tofu Schnitzel

    Analogkäse (frei von tierischem Eiweis)

    Formschinken (garantiert Schweinefrei)

    Alkoholfreies Bier/Wein

    usw.usw

    Nut grantiert THC freies Gras ist mir noch nicht begegnet:-))

    #####

    Ich kann ja verstehen, des es Menschen gibt, die bestimmte Nahrungsmittel nicht vertragen, aber warum dann Surogate benutz werden müssen, entzieht sich meinem Verständniss.

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    Fleisch ist lecker, veregatrische Küche ist Lecker, Tofu ist lecker,... in 1.000fachen Variationen.... aber Tofu-Giller, mit gewürtsfreier Bio-Vegi-sosse und fleischfreiem Gyros an Pommes (garantiert nicht aus Kartoffen, fettfrei)

    .

    Vieleicht bin ich zu dumm so etwas zu verstehen.

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    Dieser Beitrag kann Spuren von Nüssen oder Ironie enthalten :-))

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    Gruss Sikasuu

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  • Wie schön, dass wenigstens Papier (bzw. die Datei als solche) geduldig zu sein gelernt hat.