Die Wahrheit: In Frauentaschen
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über das Mysterium der weiblichen Welt erfreuen.

In Frauentaschen. Bild: AP
Frauen, die in Taschen graben,
weil sie was zu suchen haben …
Frauen, die in Taschen wühlen,
die mit zarten Fingern fühlen,
was in dieser Schattenwelt
schlummernd sich verborgen hält:
Schlüsselbunde, Stücker drei,
Füller, Füßling, viererlei,
Lippenstifte, Läppchen, Litzen,
Spangen, Spielgeld, Spachtel, Spritzen,
Blöcke, Blusen, Broschen, Brillen,
Knebel, Knöpfe, Kopfschmerzpillen.
Drogendöschen, Dübel, Drucker,
Zwickel, Zwiebel, Zimt und Zucker,
Bratklops, Backobst, Blaubeerkuchen.
Sollten sie dann tiefer suchen:
Goethes Eckzahn, Gretchens Gift,
Urfassung der Heil’gen Schrift,
Säulenreste (ionisch? dorisch?),
Grabbeigaben, prähistorisch.
Und ganz unten auf dem Grunde
mysteriöse Knochenfunde.
Doch auch wenn sie graben, wühlen
längst vergess’ne Schätze fühlen,
fiebrig. Wenn sie sich empören,
weil sie’s angstvoll schreien hören
aus des Grabes tiefen Gründen,
ist ihr Handy nicht zu finden.
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