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Die WahrheitLeberwurstbrot Caramba

Kolumne
von Joachim Schulz

Es droht eine Begegnung der gefährlichen Art. Der Mann des scharfen Brotes kehrt zurück und mit ihm die Erinnerung an eine dramatisch verflossene Liebschaft.

E r war es, kein Zweifel. Wir gingen hinter dem Buswartehäuschen in Deckung, und Theo wurde kalkweiß. Pepe hatte sich kaum verändert, trug noch immer die lange Matte und den mächtigen Walrossschnurrbart.

„Ich habe dir immer gesagt, das holt dich noch mal ein“, hauchte Raimund, „man weiß doch, wie temperamentvoll Mexikaner sind.“ – „Pepe ist kein Mexikaner“, sagte ich. Tatsächlich hieß er Hans-Peter und kam aus Bad Oldesloe. „Aber er sieht aus wie einer“, erwiderte Raimund: „Ich finde es nur enttäuschend, dass er zwei Gorillas engagiert hat, um Theo zu erledigen, statt hier alleine aufzutauchen: einen dicken Patronengurt um die Hüften und zwei schwere Colts rechts und links.“

Pepe und die Gorillas überquerten langsam den Goetheplatz. Pepe zeigte hierhin und dorthin, und einer der Gorillas machte Notizen, während der andere fotografierte.

Vor zehn, zwölf Jahren war er Nacht für Nacht mit zwei voluminösen Weidenkörben durch die Kneipen gezogen. Begleitet von Tina, seiner Geliebten, versorgte er die Trinker mit Laugenbrezen und Käsebrötchen. Sein Hit aber waren dick mit Schweinsleberwurst bestrichene Bauernbrotkniften, die überall nur „Leberwurstbrote Caramba“ hießen, da sich in ihnen eine extrascharfe Jalapeñochili verbarg, die dafür sorgte, dass den Trinkern eine Stichflamme durch den Schädel schoss, die alle alkoholische Tumbheit verzehrte und eine heilige Nüchternheit zurückließ.

Die Leute liebten ihn, und wahrscheinlich würde er noch heute durch die Kneipen ziehen, wenn sich nicht Theo und Tina eines Tages auf einer Party äußerst nahe gekommen wären und sich auch danach noch ein paar mal getroffen hätten. Als Pepe entdeckte, was sie hinter seinem Rücken trieben, verbrannte er die Körbe mitten auf dem Goetheplatz und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Raimund sagte schon damals: „Der kommt wieder. Und dann wird abgerechnet, Theo.“

„Ich glaube, er hat uns noch nicht gesehen“, sagte Raimund jetzt, „lasst uns verschwinden.“ – „Aber wie?“ – „Runter zum Fluss, dann zur Kennedybrücke, und schon sind wir weg!“

Die Idee war gut, der Weg am Fluss aber leider gesperrt und von Baggern aufgerissen. Als wir uns umdrehten, kamen Pepe und die Gorillas uns entgegen.

„Mist, er hat uns doch gesehen – jetzt bleibt dir nur noch ein Fluchtweg“, sagte Raimund. Er gab Theo einen Schubs, und dieser klatschte mit einem überraschten Aufschrei in den Fluss.

Dann aber begriff er, dass er um sein Leben schwimmen sollte, und so kraulte er davon, weshalb er nicht mehr erfuhr, dass es sich bei den Gorillas um Reporter eines australischen Lifestylemagazins handelte, die Pepes erstaunliche Lebensgeschichte aufschrieben, der damals bis nach Sydney floh, dort mit dem Rezept von „Leberwurstbrot Caramba“ eine kleine Firma gründete, mittlerweile sechzigtausend Kniften pro Woche vom Band rollen ließ und Theo immer noch jeden Tag dafür dankte, ihn damals aus diesem verschnarchten Provinznest vertrieben zu haben.

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