Die Wahrheit: Geplagtes Bauerntrampel
Berliner Barmenschen sind cool, ach so cool. Doch hinter ihrem hippen Lifestyle steckt nichts als nervtötendende Unfreundlichkeit.
L iebe Berliner – kann es sein, dass ihr nur noch India Pale Ale und Gin Sul trinkt? Und könnt ihr das dann nicht jedenfalls zu Hause machen, wenn ich schon mal ein paar Lokale testen komme? Während ich in der mondän dunklen Hotelbar mühsam die unverschämt kleingedruckte Karte studiere, unterbricht mich gleich der Barkeeper, nimmt sie mir weg und sagt: „Die haben wir mit Absicht so kleingedruckt. Die wichtigen Getränke stehen an der Tafel hinter der Bar.“
Da lese ich dann lauter so Sachen, die ich nicht mag oder wo ich nicht recht weiß, ob es was zu trinken oder ein Putzmittel ist, und bestelle schließlich einen trockenen Weißwein. Damit bin ich hip, wie ich weiß, jedenfalls war ich das vor 30 Jahren.
„Wein haben wir nicht. Der Lieferant ist nicht gekommen. Und außerdem sind wir eine Craft Beer Bar.“ Der Bauerntrampel, der meinen Namen trägt, hört das Wort zum ersten Mal und denkt an eine Art Maibock. Ist ja auch die Zeit dafür. Der Bauerntrampel, der nicht schon vom ersten Glas niedergestreckt werden möchte, verlässt daraufhin die Bar. Vielleicht steht der Weinlieferant noch irgendwo draußen und wartet auf mich und die anderen Provinzler?
In der nächsten Bar verlangt der Liebste dann frohgemut ein Weizen. Weizen geht ja immer. „Andere Kneipe“, pampt der Barkeeper ihn an und deutet trocken mit der Hand Richtung Ausgang. Vor Schreck bestelle ich gleich ein teures Mixgetränk, das ich eigentlich gar nicht mag. Das wird dann immerhin, wenn auch schlechtgelaunt, serviert. Der Cocktailkirschenlieferant hat es bis nach Charlottenburg geschafft, hurra. Weizen können wir schließlich auch zu Hause trinken.
Aber weil wir uns zu Hause langweilen, fahren wir von Berlin gleich weiter an die Nordsee. Was soll ich sagen – wie das Land, so das Craft Beer. Die Hotelbar lädt zur Gin-Sul-Verkostung, das Edelrestaurant bietet ein kleines Helles zum Preis eines Hauptstadt-Mixgetränks. Wahrscheinlich sind alle Gäste außer uns Berliner. Zumindest gefühlt. Der Barkeeper kommt mir auch irgendwie bekannt vor. Er nimmt mir die unverschämt kleingedruckte Getränkeliste weg und sagt: „Die Karte bin ich. Was möchtest du trinken?“ –
„Das wollte ich ja gerade herausfinden“, wimmere ich.
„Na, die Richtung wirst du ja wissen“, kontert er. „Ihr habt Durst, und ich will das ändern.“ Widerspruch zwecklos. Eigentlich wollte ich jetzt mal Gin Sul, nur so aus Trotz, aber ich habe Angst, dass er dann irgendwas zurückfragt und meine Ahnungslosigkeit enttarnt. Geschüttet oder püriert, gehupft oder gesprungen?
Da bleibt mir nichts mehr übrig als die Provinzler-Nummer mit dem trockenen Weißwein. Der Mixer gibt mir den „Du unterforderst mich“-Blick und dazu ein Glas Grauburgunder. Ich wische mir den Bestellschweiß von der Stirn und freue mich schon mal auf zu Hause und das Schützenfest in der nächsten Woche – gestrecktes Pils mit ekligem Korn und Bumsmusik, also alles Dinge, die meine kulturelle Kompetenz nicht überfordern. Und das Allerbeste daran: Ich gehe da gar nicht erst hin.
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