Die Vorschau: Im Dauerlauf aus dem Sumpf
■ Hille Darjes ist jetzt wieder mit „Ein Zimmer für sich allein“ in Bremen zu sehen
Die 430 ist keine typische Jubiläumszahl, die 860 auch nicht, aber wenn man die Zeit in brutto rechnet, kommt man doch auf jubiläumsmäßige 1.000: Zum 430sten Mal spielt die Schauspielerin Hille Darjes am Sonnabend ihr Virginia-Woolf-Solo „Ein Zimmer für sich allein“ und wird danach 860 (oder inclusive Kartenverkauf und Beifallentgegennahme 1.000) Stunden ihres Lebens in die Rolle der englischen Dichterin geschlüpft sein. Mit solch' einem Dauerläufer hätte die in Worpswede lebende Mitgründerin und Ex-Actrice der Bremer Shakespeare Company selbst nicht gerechnet, als sie das Stück 1992 (um-) schrieb.
„Ich bin“, sagt sie, „damals etwas unsanft aus der Company geflogen und mußte mich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.“ Unsanft? „Ja, der Norbert Kentrup hat mich rausgeschmissen“, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Damals, 1992, hat sie gedacht, das Solo zehnmal aufzuführen, doch nun ist kein Ende mehr abzusehen.
Für ihr Solo hat Hille Darjes das gleichnamige, 1929 veröffentlichte Buch von Virginia Woolf in Theaterform gegossen. Es basiert auf zwei Vorträgen über Gott, die Welt und englische Literatur rund um die Kernfrage, warum keine Frau die Stücke von Shakespeare geschrieben hat. Die Antwort: Ihr fehlten 500 Pfund pro Jahr und vor allem ein Zimmer für sie allein. Darjes spielt dieses rhetorische Abenteuer mit sehr viel poetischer Wirkung und noch mehr Witz.
Nach 429 Aufführungen ändert sich gleichwohl etwas: „Ich habe gelernt, so weit wie eine Katze zu springen – auf den Punkt genau“, sagt Darjes und meint den wohldosierten Einsatz schauspielerischer Mittel. Selbst wenn ein Hund über die Bühne läuft, wirft das Hille Darjes alias Virginia Woolf nicht mehr aus der Rolle. Auch ein Patient in den „Psychiatrischen Anstalten“ Bethel hat sozusagen schon mit Virginia Woolf gesprochen: „Er wollte sich während der Aufführung auf meinen Stuhl setzen, doch als ich ihm sagte, das sei mein einziger, hat er's eingesehen und sich wieder auf seinen Platz gesetzt.“ Der Stuhl, der Kleiderständer und das Kostüm sind übrigens Originalrequisiten – „In diesem einen Punkt bin ich abergläubisch.“
Neben dem Woolf-Solo steht Hille Darjes gelegentlich in anderen Inszenierungen auf der Bühne. Außerdem wirkt sie an Hörspielen mit. Das würde sie gern ausbauen, doch die meisten RegisseurInnen engagieren immer die gleichen SchauspielerInnen. In einer Radio-Reihe wie „Am Morgen vorgelesen“ würde sie auch gern auftauchen. Doch: „Das ist eine Männerclique.“ Die haben ihr Studio eben noch immer gern für sich allein. ck
„Ein Zimmmer für sich allein“ am 9., 10., 15., 17., 23. und 24. Januar, 20 Uhr, Concordia. Weitere Aufführungen im Februar
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