piwik no script img

Die VorschauDer Klo-Fetischist

■ Kabarettist Dietmar Wischmeyer meiert heute über dietmarige Suffköpfe ab, deren Hintern und Köpfe nicht sauber gewischt sind

Manche halten diese Welt für das, was uns in der Bibel als Fegefeuer angedroht wurde. Dietmar Wischmeyer entlarvt das Hier und Jetzt als etwas viel Schlimmeres, als Ort des – Igitt – Wohlfühlens, genauer gesagt: als „Das Paradies der Bekloppten und Bescheuerten“. Und nachdem bei Ullstein gerade eben das dritte „Logbuch“ zu Ehren dieser „Bekloppten und Bescheuerten“ erschienen ist (in kirchlichem Jargon: ein Triptychon), kann nicht mehr übersehen werden, dass Wischmeyer eine neurotische Hassliebe an sein Objekt der Verachtung kettet.

Als Wischmeyer 1988 das Frühstyxradio mit Treckerfahrer Günther, dem kleinen Tierfreund (und Retter der wilden Brieftaube) und Willy Deutschmann inklusive angeehelichtem „Brocken“ beim Sender ffn aus der Taufe hob, galt dieser mit diversen menschlichen Schleim-absonderungen durchwirkte Humor als echte Pionierleistung in Sachen Respektlosigkeit. Längst sind diese Sauereien in den Mainstream eingemeindet. Und so mutet es ein wenig undurchdacht an, wenn Wischmeyer immer wieder über die Unterhaltungsindustrie herzieht und das neue Buch mit einer Radioschelte eröffnet.

Doch der Mann ist Überzeugungstäter. Wie sonst nur Wiglaf Droste mit seinen unaufhörlichen Schröder-, BAP- und Scorpions-Henkersurteilen, beweist Wischmeyer seinen Lieblingsfeinden eine unerschütterliche Treue: dem Baumarktbesucher ebenso wie der ökologischen Fahrgemeinschaft unter Arbeitskollegen. Immerhin anerkennenswert: Sein Hass ist nicht politisch korrekt, sondern aus vollem Herzen ungerecht; er entspringt einer tief sitzenden grundehrlichen Menschenverachtung.

Niemals würde sich Wischmeyer wie andere Kabarettisten gegen Rechtsradikale, Kinderschänder oder besoffene Autoraser ereifern. Nein, er fällt über Nasenpopler her und wühlt so tief in deren geheimen Körperhöhlen herum, dass man ihm getrost eine ganz und gar nicht heimliche Lust am Ekel unterstellen darf. Selbst vom missglückten Versuch, ein Ikea-Regal zusammenzubauen, findet er mit traumwandlerischer Sicherheit seinen assoziativen Schleichweg zum Geschlechtsverkehr mit Beinklemme und blauen Flecken.

Und wie hätte unser Pazifist das Jugoslawienproblem gelöst? Man hätte Milosevic eine Otto-Versand-Lieferung versprechen sollen, woraufhin der sich aus purer Vorfreude nicht mehr aufs Klo gewagt, in die Hose gemacht hätte und als Drecksscheißer von den eigenen Leuten umgebracht worden wäre ... Und anschließend verdächtigt dieser Scheißhausfetischist alle Fans von Open-air-Konzerten einer verdrängten Freude an Schlamm und Pisse. Solche Verkörperungen von Selbstwidersprüchen muss man einfach verehren und sehen ... bk

Heute, 20 Uhr, Modernes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen