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Der Hafen von Brake: 40 Prozent der deutschen Sojaimporte kommen hier an Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/picture alliance

Umweltzerstörung für Soja und PalmölDie Untiefen der Agrarindustrie

Brake an der Unterweser ist ein Umschlagplatz für Agrargüter aus Übersee. Ak­ti­vis­t*in­nen aus Südamerika und lokale Land­wir­t*in­nen protestieren gemeinsam dagegen

D ie turmhohen runden Tanks der Fettraffinerie Olenex spiegeln sich in der Sonnenbrille von Gladis Mucú. Die indigene Aktivistin aus Guatemala betrachtet von der Fähre aus die Szenerie am Ufer. Mucú ist 9.000 Kilometer gereist, um dort zu protestieren, wo ihrer Ansicht nach die Zerstörung ihrer Heimat endet: bei der Verarbeitung von Palmöl im niedersächsischen Brake. An dem Nordseehafen zwischen Bremen und Bremerhaven kommen Schiffe aus aller Welt an. Gerade hat die „Theresa Empat“ am Kai festgemacht. Der orange­rote, 180 Meter lange Frachter hat laut ­einer Datenbank, die Schiffsfrachten registriert, Pflanzenöle geladen.

Auf der gegenüberliegenden Flussinsel Harriersand – gegenüber den Industrieanlagen – haben Ende Mai Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen ein Protestcamp bezogen. Das „Wesercamp“, ausgerichtet unter anderem von den Umweltorganisationen Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Robin Wood, dem Verein Aktion Agrar und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), wendet sich gegen große Agrarkonzerne, gegen Futtermittelimporte und gegen die Weservertiefung. Rund 120 Menschen haben sich auf einem Zeltplatz am Flussufer versammelt.

Klima-Camp vor Industriekulisse

Eine Hafenrundfahrt mit der Fähre „MS Guntsiet“ bringt sie nah an den Ort der Kritik heran. Gladis Mucú beobachtet eingeklemmt zwischen Dutzenden jungen und älteren Menschen, viele in Windjacken, manche mit Ferngläsern, die vorbeiziehenden Fließbänder, Rohre und Hafenkräne – eine Industriekulisse von beachtlicher Größe. Die Maßstäbe hier in Brake an der Unterweser sind von internationaler Größenordnung.

Raubbau fürs Futtern

Rodung Brasiliens Regierung hat sich verpflichtet, die illegale Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Das Instituto Socioambiental, eine brasilianische NGO, die sich für Umweltschutz und die Rechte indigener Völker einsetzt, warnte jedoch jüngst, Brasilien könnte durch ein neues Lizenzgesetz Waldflächen in der Größe des Paraná-Gebiets verlieren – das ist eine Fläche, die in etwa halb so groß ist wie die Bundesrepublik Deutschland. Präsident Lula da Silva gibt sich zwar als Beschützer des Amazonas. Im Parlament hat aber die mächtige Agrarlobby die Oberhand.

Feuer 2024 ging die Abholzung laut brasilianischem Waldmonitor im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel zurück. Laut einer Studie des World Resources Institute und der Universität Maryland hat die Zerstörung tropischer Urwälder 2024 allerdings den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten erreicht. Ursache sind neben dem illegalen Holzschlag und Bergbauaktivitäten auch mehr Brände durch die zunehmende Erderhitzung.

UN-Klimagipfel Im November findet die Klimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém statt. Im Wesercamp auf Harriersand fordern die Umweltgruppen BUND, Robin Wood und der Verein Aktion Agrar, dass die Entwaldung und Viehzucht Priorität des Gipfels sein müssten. „Die Klimakonferenz kann nicht in Brasilien tagen, ohne dass wir auch in Deutschland darüber reden, wie wir dort rücksichtslos Landfläche belegen für Futter und Regenwald zerstören“, sagt Jutta Sundermann von Aktion Agrar. ma

Vor der Raffinerie tauchen Ak­ti­vis­t*in­nen der Gruppe Robin Wood auf. Sie entrollen ein Banner zwischen zwei Dalben, diesen massiven Pfeilern, die zum Vertäuen der Schiffe in den Flussboden gerammt werden: „Verfolgung? Vertreibung? Verantwortung! Kein Palmöl aus Raubbau!“ Die NGO fordert ein starkes Lieferkettengesetz, das Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden ahndet. In der deutschen Politik steht dieses zur Diskussion.

Ein Hafen, zwei Superlative

Brake ist ein zentraler Umschlagplatz für Agrarprodukte. Hier steht Europas größte Speiseölraffinerie – betrieben von Olenex, einem Joint Venture der internationalen Palmöl-Handelskonzerne ADM und Wilmar. Wenige Meter flussaufwärts befindet sich auch der größte Importterminal für Futtermittel in Europa, betrieben vom Logistiker J. Müller. 40 Prozent der deutschen Sojaimporte kommen hier an, meist aus Südamerika.

Sollte das Freihandelsabkommen Mercosur der EU mit Lateinamerika in Kraft treten, könnten es bald noch mehr sein – eine Perspektive, die die Umweltgruppen alarmiert. Denn das billige Eiweiß aus Übersee wird größtenteils in der Tiermast verfüttert, für den Anbau wird oft Urwald durch Plantagen ersetzt. Die geplante Weservertiefung soll größeren Frachtern den Weg ebnen, dürfte aber den Fluss empfindlich verändern.

9.000 Kilometer weit gereist, um gegen die Zerstörung ihrer Heimat zu protestieren: Gladis Mucú (l.) aus Guatemala Foto: Maximilian Arnhold

Die „MS Guntsiet“ steuert Harriersand an. Im Normalbetrieb bringt die Fähre Ausflügler von Brake auf die Weserinsel – diesmal fährt sie die Ak­ti­vis­t*in­nen ins Protestcamp. Mittendrin steht Timo Luthmann vom Bildungsverein Klima*Kollektiv. Geht es nach ihm, soll Brake zum neuen „Kristallisationsort“ der Klimabewegung werden.

Als größter Futtermittelhafen Deutsch­lands stehe der Ort sinnbildlich für eine industrielle und wachstumszentrierte Landwirtschaft – und für neokolonialen Landraub durch Monokulturen wie Soja im Globalen Süden. Durch die Weservertiefung nehme die Flutgefahr zu: Der Tidehub wachse, also der Höhenunterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Sturmfluten könnten tiefer ins Landesinnere vordringen. „Hier verbindet sich lokale mit globaler Zerstörung“, sagt Luthmann.

Der Umweltaktivist will eine „Wasserbewegung“ ins Leben rufen, die die Klimabewegung ergänzen soll. Im März hat er bei Bonn eine Wasserkonferenz mitorganisiert. Das Wasserthema, glaubt er, könne ein „Bindeglied zwischen der Klimabewegung und Landwirtschaft“ sein.

Verschmutztes Wasser in Guatemala

Mittagszeit. Auf dem Campingplatz duftet es nach Nudeln mit veganer Bolognese. Nach dem Essen geht es noch mal um das erste große Thema des Tages: Palmöl. Die Ak­ti­vis­t*in­nen versammeln sich am Strand und rufen auf Spanisch: „Umweltgerechtigkeit für den Aguán!“ Es ist eine Solidaritätsbekundung für den Landwirt Yoni Rivas aus Honduras, der gemeinsam mit Gladis Mucú ins Wesercamp gekommen ist. „Durch die Palmölindustrie habe ich mein Zuhause verloren“, sagt er. Im Aguán-Tal würden Klein­bäue­r*in­nen gewaltsam durch bewaffnete Gruppen von ihrem Land vertrieben, um darauf Plantagen anzulegen. Zuletzt seien 150 Familien attackiert und mehrere Menschen getötet worden.

Die Gemeinde von Mucú leidet unter verschmutztem Wasser. Beide erheben schwere Vorwürfe: Olenex verarbeite auch Palmöl von zwei Unternehmen aus Zentralamerika, die für die Vergehen verantwortlich sind. Auf eine taz-Anfrage äußerte sich Olenex nicht. Im April reichten Rivas und die Menschenrechtsorganisation Christliche Initiative Romero eine Beschwerde auf Grundlage des deutschen Lieferkettengesetzes beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) ein. „Wir wollen in Frieden und nach unseren Traditionen leben“, resümiert Mucú. „Ölpalmen wollen wir nicht.“

Im nächsten Workshop geht es um Thema zwei: Sojabohnen. Jutta Sundermann von Aktion Agrar spricht in einem der weißen Großraumzelte Klartext: „Für den Sojaanbau wird großflächig Regenwald zerstört, damit Norddeutschland die Massentierhaltung füttern kann.“ Mehr als 12 Millionen Hektar Land außerhalb der EU seien mit Exportfrüchten – sogenannten Cash Crops – bepflanzt. „Wir wissen seit Jahrzehnten, was das für Klima, Mensch und Tier bedeutet – doch die Produktion steigt.“

Soja, Schiffe, Schlachthöfe

Brasilien ist weltweit größter Sojaproduzent, gefolgt von den USA und Argentinien. In Brake landet das Soja meist als Schrot per Schiffsladung. Sundermann zeigt über den Deich: Vier der fünf größten Futtermittelkonzerne Deutschlands liegen im Umkreis von 100 Kilometern. „Wir befinden uns in einem Hotspot der Intensivtierhaltung.“

Marktführer Agravis importiert jährlich rund 240.000 Tonnen Soja über den Braker Hafen. Auf taz-Anfrage verspricht das Unternehmen aus Münster, dabei darauf zu achten, dass keine illegalen Rodungen unterstützt werden und soziale Aspekte geachtet werden. Die Firma verweist auf ein satellitengestütztes Monitoringsystem, mit dem die Farmen überwacht würden. Doch laut Medienrecherchen war der Agravis-Zulieferer Coamo in Südbrasilien mehrfach in Landkonflikte mit tödlichem Ausgang verwickelt. Auch der Futtermittelkonzern PHW betont auf Anfrage der taz Nachhaltigkeit im Einklang einer Branchenvereinbarung. Demnach würden nur nachhaltig zertifizierte Sojabohnen bezogen, für die kein Regenwald illegal abgeholzt worden sei.

Der brasilianische Agrarökologe Antônio Andrioli hält das für Augenwischerei: „Oft folgt auf illegale Rodung erst Viehzucht, dann Soja – und schon gilt es als legal zertifiziert.“ Niemand könne sagen, wie viele Pestizide eingesetzt würden oder ob Klein­bäue­r*in­nen vertrieben wurden, betont er im Videogespräch mit der taz. Andrioli fordert einen Stopp des Mercosur-Abkommens der EU mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Er warnt vor einer noch intensiveren Landwirtschaft durch steigenden Pestizidexport. 2024 hat er eine Demo in Brake unterstützt.

Ein Zelt für Klima-Workshops auf Harriersand Foto: Maximilian Arnhold

Weniger Tiere, mehr Weidehaltung

Zurück im Klimacamp. „Eiweißpflanzen wie Soja sollten weder um die halbe Welt reisen noch durch einen Tiermagen gehen, bevor sie bei uns auf dem Teller landen“, wirbt Jutta Sundermann für eine Agrarwende: Der heimische Anbau von Bohnen, Kicher­erbsen und Linsen für den menschlichen Verzehr sollte gestärkt werden. Weniger Tiere, mehr Weidehaltung.

Der Landwirt Jochen Voigt, der bei Bremen einen Biolandhof betreibt, pflichtet ihr begeistert bei. „Wir müssen mit Respekt für Mensch und Umwelt handeln, auch wenn es uns was kostet“, sagt er. Die „Trutzburg der Agrarindustrie“ auf der anderen Uferseite könne man nicht gewähren lassen. Voigt ist als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ins Camp gekommen.

Der Austausch mit den Ak­ti­vis­t*in­nen bedeutet ihm viel: „Wenn ich allein auf dem Hof arbeite, fühle ich mich manchmal überfordert von allem. Dass wir hier zusammenkommen und uns vernetzen, ist für mich auch ein Lebensmittel.“ Besonders das Kennenlernen junger Klimaschützender war „ein Erlebnis“, erzählt er – etwa, als sich Menschen aus der Szene mit Kampfnamen und ihren Pronomen vorgestellt haben. „Da habe ich sonst nicht so viele Berührungspunkte.“

Versalzene Äcker in der Wesermarsch

In der Wesermarsch fürchten Land­wir­t*in­nen die Versalzung ihrer Felder. Da kommt ihnen die Hilfe der Klimabewegung gerade recht, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Das Problem: Ihre Äcker und Weiden werden über ein Grabensystem mit Wasser aus der Unterweser versorgt. „Wenn die Sturmflut das Wasser aus der Nordsee in die Gräben und Tränken drückt, können Vorgaben von 2,5 Gramm Salz pro Liter Wasser schon heute kaum eingehalten werden“, berichtet der Landwirt Dierk Dettmers den Aktivist*innen. Gemeinsam mit zwei Kollegen und dem BUND hat er in der Vergangenheit erfolgreich gegen die Weservertiefung geklagt. Es ist das dritte Thema, das die Protestierenden umtreibt.

Gert Rosenbohm vom BUND sagt, die Ausbaggerung der Weser wäre „Sterbehilfe für ein Ökosystem“ Foto: Maximilian Arnhold

Flussvertiefung bis 2030

Die Weser soll vor allem zwischen Bremerhaven und Brake bis 2030 ausgebaggert werden, damit auch größere Schiffe den Braker Hafen anlaufen können. Gert Rosenbohm vom BUND hält das für „Sterbehilfe“ für das Öko­system.

„Der Fluss steckt voller Überraschungen“, begrüßt er die 20 Teilnehmenden eines Spaziergangs, mit dem er auf die Folgen der Ausbaggerung aufmerksam machen will. Er legt eine braun-weiß gestreifte Muschel auf einen Holztisch auf dem Zeltplatz. Die asiatische Körbchenmuschel, erzählt er, sei eine invasive Art, die sich hier angesiedelt habe, weil sie mit dem höheren Salzgehalt in der Unterweser besser zurechtkäme als die heimischen Süßwassermuscheln. Letztere finde er hier nur noch selten, sagt er und klappt seine „Zauberkiste“ auf, einen Karton mit Ansichtsexemplaren.

Mit Anglerhut, grüner BUND-Weste, Schaufel und Gummistiefeln stapft er zur Weser. Gerade herrscht Ebbe. Der 78-Jährige sticht mit dem Spaten im Grund. „In den ruhigen Bereichen sammelt sich der Schlick“, sagt er und schiebt einen Haufen Sand beiseite, „der Laich von Fischen wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt“. Durch die Vertiefung gelange mehr Schlick aus dem Wattenmeer in den unteren Flusslauf.

Außerdem nehme die Strömungsgeschwindigkeit zu. Er deutet auf eine seichte Düne am Ufer. Eine zwei Meter hohe Abbruchkante habe es da vor Jahren gegeben. 2017 sei aufwendig Sand angefüllt worden, doch nun sei bereits die Hälfte wieder weg. „So einen Fluss zu verändern, das hat gravierende Folgen.“

Solidarität vor Industriekulisse: Das Klimacamp demonstriert für Betroffene des Palmöl-Anbaus Foto: Maximilian Arnhold

Rosenbohm gräbt einen verwitterten Blechlöffel aus, wohl ein Überbleibsel vom Zeltplatz, und zieht sogar einen kleinen Knochen aus dem Matsch. Dann hält er etwas Weißes, Glänzendes zwischen den Fingern, das sich beim Zerreiben anfühlt wie ein Stück Nougat. „Das ist Palmfett“, ist Rosenbohm sicher – und weist mit der Hand vielsagend zur Industrie auf die andere Flussseite. Schädlich für Tiere sei es nicht, aber bei einem Unfall sei „das Zeug mal tonnenweise“ im Wasser geschwommen.

Die Hafenbetreibergesellschaft Niedersachsen Ports hat 2023 ein Papier veröffentlicht, das davon ausgeht, dass die Umschlagsmenge im Hafen Brake bis zum Jahr 2030 um rund 1,5 Millionen Tonnen gesteigert werden könnte – vorausgesetzt, die Fahrrinne werde ausgebaut, wie es die Befürworter fordern.

Stadt und Industrie wollen den Ausbau

Der Logistiker J. Müller hält die Weservertiefung für unverzichtbar: Nur gut ein Drittel der globalen Flotte von Massengutfrachtern könne Brake derzeit voll beladen anlaufen, warnt das Unternehmen auf taz-Anfrage. Ohne dauerhaft garantierten Tiefgang von 12,80 Metern drohe die Abwanderung in ausländische Häfen – mit Folgen für die deutsche Versorgungssicherheit. Das hätte auch einen höheren CO2-Ausstoß zur Folge, der bei optimal ausgelasteten Schiffen und weniger Lkw-Verkehr sinken würde.

Die Stadt Brake unterstützt das Vorhaben: Der Hafen sei „wirtschaftlich bedeutend und muss konkurrenzfähig bleiben“, betont Bürgermeister Michael Kurz (SPD) gegenüber der taz und fordert eine zügige Entscheidung des Bundes. Einen Interessenausgleich verspricht er sich vom laufenden Dialog unter Leitung des Landes Niedersachsen. Umweltschutzgruppen werfen dem Verfahren jedoch mangelnde Offenheit vor – die Weservertiefung steht ihrer Ansicht nach als Ergebnis bereits fest.

Unter den Ak­ti­vis­t*in­nen im Camp sorgt das Argument der CO2-Einsparung für Spott. „Es soll ‚öko‘ sein, ein Ökosystem noch mehr kaputtzumachen“, grinst Timo Luthmann vom Klima*Kollektiv. „Wenn das nicht so absurd wäre, könnte man drüber lachen.“

Die Unternehmen privatisieren die Gewinne und wälzen die Kosten – wie ein zerstörtes Flussökosystem oder versalzte Äcker – auf die Allgemeinheit ab.

Gert Rosenbohm vom BUND

Für Gert Rosenbohm ist auch das Argument der Wirtschaftlichkeit nur vorgeschoben: „Es ist ohnehin nicht wirtschaftlich“, sagt er und drückt die Schaufel an sich. Die Unternehmen privatisierten die Gewinne und wälzten Kosten – wie ein zerstörtes Flussökosystem oder versalzte Äcker – auf die Allgemeinheit ab. „Da muss ich kein Kommunist sein, das so zu sehen.“

„Mut, sich zu engagieren“

Kein Palmöl. Kein Soja. Kein Weserausbau. Sundermann, Jahrgang 1971, blickt über den Hafen, der ohne Tierfutterimporte auskäme, ginge es nach ihr. Sie setzt sich seit Jahrzehnten für eine Landwirtschaftswende ein. „Das mache ich, seit ich Schülerin war“, sagt sie. Als eine der Mitgründerinnen von „Aktion Agrar“ organisiert sie zudem seit zehn Jahren Kampagnen für eine ökologischere Landwirtschaft. Vorher war sie bei der globalisierungskritischen Organisation Attac aktiv, auch dort von Anfang an.

„Es gibt Momente, die Mut machen. Wenn Alternativen entstehen, wenn Menschen gemeinsam anfangen, anders zu wirtschaften, anders zu leben.“ Aber in den letzten Jahren, sagt Sundermann, seien die Rückschläge spürbar größer geworden. „Es ist wahnsinnig frustrierend, dass unser neuer Bundeskanzler Merz unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus eine notwendige Klima- und Umweltgesetzgebung schleift, der jahrzehntelange, intensive gesellschaftliche Auseinandersetzungen vorausgingen.“ Die Zunahme rechter, menschenverachtender Positionen, der politische Rückwärtsgang – das sei schwer auszuhalten.

Und trotzdem hofft sie, dass das Wesercamp etwas verändert hat. Dass Menschen dort Kraft schöpfen, sich vernetzen, Mut finden konnten. „Eine Hoffnung ist, dass Menschen durch das Camp den Schritt wagen, sich zu engagieren.“

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2 Kommentare

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  • Was will man dazu sagen...



    Es ist wie immer: Korrupte Politiker aller Parteien arbeiten skrupelloser Industrie zu und der "Verbraucher" wird mit schicken Greenwhashing Emblemen auf den Verpackungen in den schlaf versetzt.



    Und selbst der WWF singt mit das Lied, das Palmöl garnicht so schlecht ist mit dem richtigen Zertifikat. (Was er selbst mit gegründet hat und sich dumm und dämlich dran verdient).



    Ich könnte nur noch kotzen.

  • Die deutsche Bevölkerung, gerade auch unsere AfD Sympathisanten, können garnicht oft genug darauf Aufmerksam gemacht werden, was alles über ihren Tellerrand hinaus, auch von der deutschen Industrie & Wirtschaft verbrochen wird. Vielleicht wundert man sich dann etwas weniger über die Flüchlingsströme.