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Die Unberührbaren

■ Mit Stil, Punk und Verschwörungen planen Make-Up die Zerstörung der USA

„Uuuuh“, gurrt der dünne Mann im Falsett durch seine breiten Lippen, „this is the untouchable sound!“Gerade noch hatte er mit seinen blauen Augen starr das Publikum fixiert, nun wirft er sich zappelnd auf den Boden, wie von einem epileptischen Anfall geschüttelt. Doch Ian Svenonius hat sich unter Kontrolle – Ekstase und Kontrolle bilden das Begriffspaar, das die Auftritte von Svenonius und seiner Band, The Make-Up, charakterisiert.

„Untouchable by the CIA“sei der Sound der Band, sang Svenonius dem perplexen Publikum im Lübecker Treibsand entgegen, „untouchable by the FBI“. Nun darf getrost angenommen werden, die amerikanischen Geheimdienste hätten Wichtigeres zu tun als einer Washingtoner Soul-Punk-Band den Spaß zu vermiesen. Doch die Ziele von Make-Up sind nicht tief gesteckt. Im Beipackzettel zu In Mass Mind, dem neuen Album der Band, wird die Entwicklung vom klassischen Orchester zum Ein-Mann-Elektronik-Tüftler als Beispiel für ein industrielles „Downsizing“beschrieben; für die Tendenz also, mit immer weniger Arbeitern immer höhere Unternehmensgewinne zu erwirtschaften.

Dagegen wenden sich The Make-Up: Zwar stehen bei ihnen nur vier Menschen auf der Bühne, aber das Publikum sei die fünfte Stimme der Band. Die Grenze zwischen Produzent und Konsument soll also aufgehoben und beide in der Gemeinde des „Gospel-Yeh-Yeh“vereinigt werden – gegen die böse Musikindustrie. Zwar fällt es schwer, hier die Grenze zwischen bedenkenswerter Analyse und cooler „conspiracy“zu ziehen.

Sicher ist aber, daß auch die neue und beste, unter dem Pseudonym Adam & Eve von Royal Trux produzierte Studioplatte nicht an das Konzertereignis Make-Up heranreichen kann. Immer wieder bemüht sich Svenonius um Einbeziehung des Publikums per Call-And-Response, und „Power to the People“ist seine Parole. So erinnert die uniformierte Band an die Agit-Prop-Legende MC 5, perfektioniert durch Ian Svenonius' individualistisches Showman-Talent, das den Vergleich mit James Brown nicht scheuen muß.

Diese Aura stellte der Sänger schon 1992 zur Schau, als die Make-Up-Vorläuferband Nation Of Ulysses vor der plumpen Hardcoreband Down By Law in der Fabrik gastierte. Damals sprachen Svenonius und seine Mitstreiter von ihren Instrumenten als „Waffen“und hatten einen 12-Punkte-Plan zur Zerstörung der USA aufgestellt.

Felix Bayer Di, 14. April, 21 Uhr, Fabrik

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