Die USA bei der Fußball-WM: Weltmeister oder Nichts
Der erfolgreiche Auftakt der Amerikaner in Südafrika ist in der Heimat kein großes Thema. Dabei können sie mit ihrem disziplinierten Spiel mittlerweile jedem gefährlich werden.
CENTURION taz | Es riecht nach Mist. Hühner gackern herum. Kühe muhen im Stall. Der große Brunch hat auch schon begonnen auf Irenes Farm. Der weiße Mittelstand ist in großen, geländegängigen Wagen hergefahren, um im farmeigenen Laden einzukaufen oder verspätet zu frühstücken. Kinder tollen herum. Traktor und Egge stehen zur Anschauung für die Kleinen bereit.
Das ist das Umfeld, in dem sich das US-Team auf die Spiele der Fußballweltmeisterschaft vorbereitet. Es ist ein Bobo-Idyll, eine Enklave für die weißen Stadtflüchtigen. Hier gibt es keine Schwarzen, höchstens als Kellner oder Verkäufer, hier ist die burische respektive englische Welt noch in Ordnung. Man kann sich mal richtig entspannen vom südafrikanischen Alltag. Das US-Fußballteam relaxt munter mit.
Die Auswahl hat ihr erstes Spiel gegen England wegen des haarsträubenden Patzers von Keeper Robert Green nicht verloren, das findet Coach Bob Bradley schon mal sehr gut, auch gegen die Slowenen heute in Johannesburg sollen ein paar Pünktchen her. Das US-Team ist so kompakt und so ausgewogen besetzt wie schon lange nicht mehr, obwohl auch sie nur fünf Wochen Vorbereitungszeit hatten und die Nationalspieler in neun unterschiedlichen Ligen weltweit ihr Geld verdienen. "Das ist kein Problem für uns", sagt Steven Cherundolo von Hannover 96, "uns eint der Teamgeist, wir sind alle Amerikaner, jeder ist für den anderen da, und nicht zu vergessen: Wir sind taktisch sehr, sehr diszipliniert."
Coach Bradley hat zwar auf die Berufung des einstmals als Wunderkind gepriesenen Freddy Addu verzichtet, dafür steht ein nicht minder talentierter Kicker im Sturm der US-Boys: der erst 20-jährige Jozy Altidore von Hull City. Mittelfeldmann Landon Donovan hat auch wieder seine Form gefunden, jedenfalls ist er besser drauf als bei seinem verunglückten Gastspiel bei den Bayern, sodass die Amerikaner für jeden gefährlich werden können. Bradley sagt: "Wir sind mental gut drauf, wir können das ganze Spiel über immer eine Schippe drauflegen und uns ins Spiel zurückbringen." Michael Bradley, Sohn des Trainers und bei Borussia Mönchengladbach angestellt, filmt den Vater bei seinen Ausführungen während der gesamten Pressekonferenz. Da wird später sicher ein prima Familienvideo vom gemeinsamen WM-Ausflug draus.
Bob Bradley weiß, worauf es im Fußball ankommt. "Im Spiel öffnet sich das Fenster immer nur einen Spalt breit, und wenn du das dann nicht nutzen kannst, hast du Pech gehabt." Es sei alles eine Sache des Timings. Und der Einstellung: "Ich verlange von meinen Spielern, dass sie sich im Spiel auspowern, dass sie ihren Tank bis zum letzten Tropfen leeren." Besonders stolz war er im Auftaktspiel auf die Leistung seines Keepers Tim Howard (FC Everton). Trotz einer Prellung, die er sich im Spiel zugezogen hatte, schnappte er sich jeden Ball. "Seine Leistung unter diesen Umständen sagt einiges über den Charakter der Mannschaft aus", sagt Bradley. Unerschrocken und selbstbewusst hat das US-Team im Vorjahr sogar das Finale des Confederation Cups - nach einem Sieg im Halbfinale über Europameister Spanien.
Da wollen sie jetzt weitermachen. "In großen Spielen haben wir immer überzeugen können", sagt Bob Bradley. Das Problem ist nur, dass es in den USA keinen so recht interessiert, was Clint Dempsey oder DaMarcus Beasley in Südafrika treiben, Fußball ist so wichtig wie hierzulande Volleyball, bestenfalls. "Es ist schwer zu sagen, was passieren müsste, um das zu ändern", sagt Cherundolo der taz, "wahrscheinlich müssten wir Weltmeister werden", aber daran glaubt selbst der nur 1,68 Meter große Abwehrspieler nicht. Wenn sie heute gegen Slowenien gewinnen sollten, dann gibt es auf jeden Fall einen extragroßen Apfelkuchen von Irenes Farm. Oder eine Sonderfahrt auf dem Traktor.
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