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Archiv-Artikel

Die Teilung Zyperns als Lebenswerk

Der Präsident der Zyperntürken, Rauf Denktasch, lässt UN-Friedensplan für die geteilte Mittelmeerinsel scheitern

Alle haben sich an ihm die Zähne ausgebissen: Kurt Waldheim, Pérez de Cuellar und jetzt Kofi Annan. Es ist fast schon Tradition, dass UN-Generalsekretäre alle paar Jahre mit großem Engagement eine Lösung des Zypern-Konflikts angehen – und scheitern. Gestern war es wieder einmal so weit, und erneut war es Rauf Denktasch, an dem eine friedliche Lösung für die Insel scheiterte. Er lehnte einen Bundesstaat ab. Der 79-jährige zyperntürkische Politveteran steht für die Teilung Zyperns, mittlerweile zwar einsam, aber unbeeindruckt: „Die Teilung ist der Grundstein für Frieden auf Zypern“, lautet sein Credo. „Mit seiner Sturheit hat Denktasch nicht nur den 200.000 Türken auf Zypern, sondern auch den 70 Millionen in der Türkei lebenden Menschen geschadet“, hat Richard Holbrooke einmal gesagt. Auch der in Bosnien erfolgreiche US-Diplomat ist in Nikosia an Denktaschs Lebenstraum gescheitert: Trennung von den Insel-Griechen und Anerkennung seiner „Türkischen Republik Nordzypern“ als selbstständiger Staat.

Dabei hat der rundliche Jurist und Freund aller Süßigkeiten an seiner eigenen politischen Vergangenheit schwer zu schleppen. Seit fast 50 Jahren mischt Denktasch im Zypern-Konflikt mit. Noch zu britischer Kolonialzeit in den 50ern unterstützte er die türkische Terrortruppe TMT, die gegen den von der griechischen Guerilla verlangten Anschluss Zyperns an Griechenland agierte. Die Teilung war schon damals sein Programm. In den 60ern, als die junge Republik an der Frage Anschluss oder Teilung zerbrach, stieg Denktasch an die Spitze der zyperntürkischen Politiker auf. Und nach der Teilung Zyperns infolge des Einmarschs türkischer Truppen im Norden im Sommer 1974 avancierte Denktasch zum Präsidenten eines Staates, der bis heute nur von der Türkei anerkannt worden ist.

Doch erst die nationalistisch motivierten Diskriminierungen und Morde durch griechische Zyprioten haben Denktasch zum „Vater der Zyperntürken“ gemacht, der von seinen Landsleuten lange Zeit Unterstützung erfuhr. Denn Teilung versprach Sicherheit vor dem Terror der 60er-Jahre. Die Griechen blieben so als Feinde konserviert, auch als dort längst Demokraten und Europäer die Majorität innehatten. Zyprioten existieren in diesem Denksystem nicht, nur Türken und Griechen. „Die einzigen Zyprioten sind unsere Esel“, hat Denktasch seine Meinung auf den Punkt gebracht.

Zugleich sicherte sich Rauf Denktasch die Unterstützung durch die Militärs im „Mutterland“ Türkei, die in Zypern einen unverzichtbaren Vorposten sehen. Als sich die neue Regierung in Ankara von ihm abwandte, waren die Generäle zur Stelle. Sie stärken seinen Kurs bis heute.

Doch inzwischen hat der schwer herzkranke Präsident längst die Unterstützung seines Volkes eingebüßt. Die Mehrheit der Zyperntürken glaubt nicht länger an die Mär vom menschenfressenden Griechen. Sie erhoffen sich unter dem Dach Europas Prosperität und Frieden. Zehntausende haben jüngst für einen gemeinsamen Staat demonstriert. Sein Volk hat sich abgewandt. „Denktasch, tritt zurück!“, lauten die Parolen im Norden des mit Stacheldraht und Sandsäcken geteilten Nikosia. Doch Denktasch hat sich in seine Villa in den Bergen zurückgezogen. Er mag die Rufe nicht hören.

KLAUS HILLENBRAND