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Die Stunde da man uns niederdrückte

■ Der Regisseur Wolfgang Hofmann hat Peter Handkes stummes Flaneurstück „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ leider viel zu ernst genommen

Der Platz könnte mitten in einer Industriebrache liegen – vielleicht vor einer leerstehenden Fabrikhalle. Die Wände in den oberen Stockwerken sind schon weggerissen, am Boden eine ganze Reihe von Eingängen. Für die Inszenierung von Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ hat Peter Laher am Bremerhavener Stadttheater jetzt ein düsteres Bild entworfen, das an die geheimnisvollen und leeren Plätze des Surrealisten de Chirico erinnert. Hier verschwindet das Licht alle paar Minuten, und mit ihm die Gestalten, die stumm wie Schatten aus den zahlreichen Toren kommen und den Platz für wenige Augenblicke bevölkern.

Anfang der 90er Jahre hat Peter Handke sein stummes Stück geschrieben, in dem hunderte von Personen über einen Platz kommen und gehen. Sie gehen schnell oder langsam, zielstrebig oder tranig, sie schlurfen oder stolpern, sie kommen auf dem Fahrrad oder Skateboard, sie tragen Abendkleid oder Arbeitskluft, sie sind Alltagsmenschen oder mythische, biblische Figuren. Sie rennen blicklos aneinander vorbei oder nehmen einander wahr, sehen sich an, bilden schlendernde Paare. Begegnungen und Nicht-Begegnungen, Paare und Passanten, der Platz als Welten-Mitte zwischen Himmel und Hölle, Pathos und Komik, die Gegenwart durchzogen von Märchen und Mythen, von Krieg und Frieden.

Der Regisseur Wolfgang Hofmann inszeniert Handkes buntes Treiben als strenge Choreographie mit vielen Lichtwechseln und Pausen. So beginnt das Spiel alle paar Minuten wieder von vorn, alles ist jederzeit anders, Feuerwehrleute, ein Müllmann, Polizisten tauchen auf, zwischen ihnen ein biblischer Greis (Moses?), Abraham, Isaak und die Heilige Johanna. Da die Figuren nicht sprechen, werden Geräusche um so wichtiger: Wenn die Bühne leer ist, sind es meist bedrohliche Geräusche wie Flugzeuglärm und schreckliche Schreie. Seltener ist es der angenehme Lärm spielender Kinder.

Vor einem Jahr hatte der in Bremen lebende Lehrer und ausgebildete Schauspieler Uwe Baron „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ zu einem dichten, temporeichen Spiel gemacht. Jugendliche und Erwachsene hatten italienische Heiterkeit und Leichtigkeit in Szene gesetzt, bunt und schrill, sehr körperlich und als Genuß fürs Auge. Bei Hofmann wird es ernst und streng, er macht Handkes stumme Stunde zu einer 90minütigen Kunst-Übung. Die SpielerInnen – fast das gesamte Ensemble und viele Statisten – werden vom Gewicht der Welt derart niedergedrückt, daß sogar die poetischen Momente – wenn Blätter im Wind wehen, Nebel aufsteigt oder Schneeflocken von einem Mantel fallen – wie eine allzugroße Anstrengung wirken.

Auch der Griff in die Requisite hilft nicht weiter. Die permanent wechselnden Kostüme ersetzen die fehlende Spannung nicht. Wie Mehltau liegt statt dessen eine abstrakte Botschaft über dem Stück. Vielleicht hat Wolfgang Hofmann Handke buchstäblich zu ernst genommen: Seine stummen Figuren scheinen zu predigen statt zu leben. Viel zu selten wird das Stummsein zum „beredten Schweigen“ – auch dies ein Wort von Handke –, viel zu selten tragen die Figuren auf Anhieb sichtbar die Geschichte mit sich herum. Hans Happel

Aufführungen heute sowie am 17. und 19. März um 20 Uhr

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