Die Strompreisspirale: Energiemarkt unter Strom
Die Preise für fossilen und Ökostrom steigen weiter. Heute erhöhen Lichtblick und Naturstrom die Tarife, Greenpeace und Hamburg Energie taten das am Freitag. Auch der Atom- und Kohlekonzern Vattenfall langt zu.
HAMBURG taz | Heute wird der Hamburger Ökostromproduzent Lichtblick seine Strompreise um etwa zwölf Prozent zum 1. Januar 2013 erhöhen. Das Unternehmen mit etwa 75.000 Kunden in der Metropolregion Hamburg und etwa 530.000 bundesweit ist der größte deutsche Ökostromer. Der Strom selbst mache nur noch knapp ein Viertel des Preises aus, rechnet Pressesprecher Ralph Kampwirth vor, „etwa drei Viertel sind externe Kosten“.
Dazu zählen Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgabe, Strom- und Mehrwertsteuer, die Ökostromumlage und nicht zuletzt die Industrieumlage zur Entlastung besonders energieintensiver Unternehmen. Allein diese, mit der Privatkunden Großverbraucher wie Aluminiumhütten oder Autobauer, aber auch Golfplätze oder Skihallen subventionieren, beträgt etwa 0,35 Cent pro Kilowattstunde (kWh).
Auch Kunden von Greenpeace Energy müssen im kommenden Jahr deutlich mehr als bislang bezahlen. Der Preis pro Kilowattstunde erhöhe sich um 2,4 Cent auf 27,2 Cent, teilte die Hamburger Energie-Genossenschaft mit. Dies entspreche einem Anstieg von knapp zehn Prozent. Bei einem Verbrauch von 2.500 Kilowattstunden werde ein durchschnittlicher Haushalt jährlich 60 Euro mehr ausgeben müssen, sagte Unternehmenssprecher Henrik Düker.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde 2000 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt. Es legt die Förderung für die Produktion von Strom aus einer erneuerbaren Quelle wie Wind, Sonne, Erdwärme oder Biomasse fest, um den Ökostrom wettbewerbsfähig zu machen.
Betrag: Die Höhe dieser Förderung heißt Einspeisevergütung. Sie wird von den Netzbetreibern jährlich neu festgesetzt.
Umlage: Der Stromkunde zahlt den Unterschiedsbetrag zwischen Einspeisevergütung und Marktpreis. Diese pro Kilowattstunde erhobene Umlage wird mit der Stromrechnung kassiert.
Steigerung: Die Umlage wurde Mitte Oktober mit Wirkung zum nächsten Jahr von 3,59 auf 5,27 Cent pro Kilowattstunde erhöht, also um 1,68 Cent.
Der dritte große deutsche Grünstromproduzent, die Düsseldorfer Naturstrom, wird ebenfalls heute verkünden, seine Preise um gut zehn Prozent oder 2,35 Cent auf 25,75 Cent/kWh zu erhöhen. Und auch die städtische Hamburg Energie erhöht die Tarife um knapp drei Cent auf 24,8 Cent. Alle erklären, dass die gestiegene EEG-Umlage und Erhöhungen bei den Netzentgelten die Hauptgründe für die Preiserhöhung seien.
Der größte Stromversorger im Norden, Vattenfall, erhöht zum 1. Januar 2013 den Preis für eine Kilowattstunde in jedem der drei angebotenen Tarife um 3,47 Cent. Das entspricht einem Anstieg von sogar 12,9 Prozent. Der Anstieg sei vor allem auf die höheren Steuern und Abgaben für die Energiewende zurückzuführen. „Von den fast 3,5 Cent Erhöhung sind drei Cent energiewendebedingt“, sagt Unternehmens-Sprecher Hannes Hönemann.
Das sei im Prinzip richtig, sagt Detlef Palm, Geschäftsführer Nord des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), in dem sämtliche Stadtwerke zusammengeschlossen sind. Die Stadtwerke müssten die gestiegenen Einkaufspreise für Strom weitergeben, sagt Palm, weil sie zumeist „nur Verteiler sind, die nicht selbst in großem Umfang Strom produzieren“. Die Energiekonzerne hingegen würden „ausreizen, was der Verbraucher so mit sich machen lässt“.
Der VKU-Bundesverband in Berlin geht davon davon aus, dass nahezu alle seiner rund 1.400 Mitgliedsunternehmen „an einer Erhöhung in 2013 nicht vorbeikommen werden“, sagt Sprecher Stefan Luig. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien sei dennoch richtig, jedoch müssten die Interessen der Verbraucher an bezahlbarem Strom stärker berücksichtigt werden.
Und das gehe am besten durch den Wechsel zu einem Anbieter von grünem Strom, rät die Verbraucherzentrale Hamburg. Denn die großen Energiekonzerne gewinnen oder beziehen zwar auch Strom aus Wasser und Wind, bauen aber zugleich die Kohle- und teilweise im Ausland sogar die Atomstromproduktion aus. Auch wer den Ökostrom-Tarif eines Konzerns wie Vattenfall wähle, stärke Kohle und Atom.
Deshalb sollten sich private Haushalte an Gütesiegeln wie „OK Power Label“ und „Grüner Strom Label“ orientieren, rät die Verbraucherzentrale, um den Markt für Ökostrom weiter zu stärken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen