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Die Streitfrage„Wirklich nicht“

Einx Berlinx Professx will überall dort ein X, wo ein Wort das Geschlecht verraten könnte. Fernsehmoderator Günther Jauch ist dagegen.

Dürers „Adam und Eva“ im Prado-Museum in Madrid. Galten zu Lebzeiten als Mann und Frau. Aber fühlten sie auch so? Bild: dpa

Lann Hornscheidt hat im Internet einen Sturm der Empörung ausgelöst. Hornscheidt ist Professorin am Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien der Berliner Humboldt-Universität. Wobei: Professorin? Hornscheidt möchte nicht so bezeichnet werden, sondern - geschlechtsneutral - Professx.

Und genau dieser Wunsch ist es, der Massen gegen sie aufgebracht hat – auf Twitter und Facebook, in Meinungsbeiträgen – überall. Mit der Arbeitsgruppe „Feministisch Sprachhandeln“ hatte Hornscheidt einen Vorschlag für geschlechtsneutrale Sprache gemacht. Überall dort, wo geschlechtsspezifische Endungen auftauchen, werden diese durch ein X ersetzt. Schülex, Journalistx, Lesex.

In der taz.am wochenende vom 22./23. November 2014 schreibt Hornscheidt dazu: „Ein interessierter und wertschätzender Umgang mit Vorschlägen Diskriminierungen zur Sprache zu bringen/sie zu vermeiden, gestaltet die Welt positiver.“

Der Fernsehmoderator Günther Jauch dagegen sieht in Hornscheidts Vorschlag der Anrede mit X keinen Fortschritt: „Wirklich nicht“, lautet sein knappes Statement gegenüber der taz.am wochenende.

taz. am wochenende

Ein Somalier und ein Syrer landen in Bayern. Nicht im Heim, sondern bei Privatleuten zu Hause. Warum einer von beiden bald wieder auszieht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. November 2014. Außerdem: Auf der Nordseeinsel Sylt wird ein japanischer Koch totgetreten. Eine Spurensuche auf der anderen Seite des Ferienidylls. Und: „Die Musik ist nichts für kleine Kinder.“ Der Rapper Haftbefehl im Interview. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Sonja Eismann von der Zeitschrift "Missy Magazin" findet alles was "die müffelnde Zwangseinteilung der Menschheit in Frage stellt“, sehr begrüßenswert. „Denn dass die Entscheidung, sich weder als Mann noch als Frau zu identifizieren, in Rage bringt“, ist für sie ein Ausdruck von „Beschränktheit“.

„Alles, was zum Nachdenken über die Männersprache Deutsch anregt, ist ein Fortschritt“ meint auch Luise Pusch. Sie ist Sprachwissenschaftlerin und gilt als eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland.

Grundsätzlich unterstützt auch Binnen-I Erfinder Christoph Busch den Vorschlag, doch fragt er sich, wie das benachbarte Y damit umgehe: „Nix gegen ein 'X'. Solange es nicht zur moralisch verbindlichen Lösung für alle wird, weil man sich sonst an irgendwem versündigen könnte. Das wäre mir zu katholisch. Und wie fühlt sich eigentlich das 'Y' bei alldem?“

Die Streitfrage der Woche beantworten außerdem Femen-Aktivistin Hellen Langhorst, die Rapperin und promovierte Sprachwissenschaftlerin Lady Bitch Ray, die Netzfeministin Anne Wizorek und taz-Leser Frank Heinze - in der taz.am wochenende vom 22./23. November 2014.

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8 Kommentare

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  • WIRKLICH NICHT!

    Das Problem liegt nicht darin, dass wir Professor oder Professorin schreiben/lesen, sonder darin was wir dabei denken. Ein ähnliches Problem ist die Frauenquote.

    Wir sollten uns unter Lesern und Leserinnen einfach das gleiche vorstellen egal was dort steht!

     

    Es ist ein behandeln der Symptome und nicht der Krankheit.

  • Formal gesagt, wenn ich den Titel „Professor“ annehme, dann ist das meine freie Entscheidung. Ich kriege die Kohle und mache dafür die Arbeit. Das ist ein Vertrag. Wenn mir der nicht mehr passt, kann ich die Professur niederlegen. Das Frickeln mit dem „x“ sieht da wie eine Mischung von Festhalten an der Kohle u nd Nachkarten aus. Ich glaube, das stört viele. Michx auchx.

    Die Frage ist, wie weit ich mich auf ein System einlasse, dass ich angeblich ändern will, weil ich es nicht akzeptiere. Da sieht Radikalität wohl eher anders aus.

    Erst profitiert person, dann meckert person noch ein bißchen an den Äußerlichkeiten, damit es nicht so auffällt. Elfenbeinturmradikalismus mit C3 oder C4-Gehalt?

    Weltfremdheit in einer Zeit, in der Frauen (ich nenne sie jetzt einfach mal so) immer noch benachteiligt werden und die meisten viel Arbeit für wenig Geld machen müssen und sich mit den Feinheiten einer Theorie wirklich nicht beschäftigen können. Was hätte meine Oma gesagt.... aber lassen wir das. Die war ja auch nicht Professor/in.

  • Ja , kurz und richtig , ...das mit dem X "Geht wirklich nicht."

    Man muß die "deutsche spraak ,schwere spraak" nicht auch noch künstlich potthäßlich machen .

  • Warum nicht eine große Revolution der deutschen Sprache wagen ? Die Angeln & Sachsen haben's in England vorgemacht : das Geschlecht bei den Substantiven abschaffen und einen Einheitsartikel "the" , also deutsch "de" (wie schon beim Niederländischen) einführen , und die kürzere männliche Substantivform als neutrale beibehalten . "der" Mond , "die " Sonne , französisch "la" (!) lune , "le" (!) soleil ---

    das ist alte Mythologie aus der Frühzeit der Spracherfindung . Heute nur noch lästig .

    Tja , unsre Klassiker Goethe und Schiller hätten sich so Phänomene wie Feminismus ,Gender etc ja auch im Traum nicht ausdenken können : die 'Frauenzimmer' waren da dem Manne noch 'untertan' , minderen Rechts , alte christliche Tradition (femina taceat in ecclesia) .

  • Einen in der TAZ genannten Punkt fand ich besonders gut - wieso braucht mensch diese Titel? Diese/r Mensch/in (oder was auch immer) will sich doch hoffentlich nicht per Titel als was Besseres vor anderen Menschen auszeichnen? Sicher nicht. Der Rest der Menschheit arbeitet auch ohne Titel. Auch diese sind patriarchale Konstrukte. Eine Virginia Woolf hat aus diesen Gründen Ehrungen und Titel allesamt als systemimmanent abgelehnt - auch wenn sie die Gründe der Auszeichnung akzeptiert haben mag. Das finde ich konsequent. Wie wärs mit weg mit Prof? Mensch sollte doch auch ohne Titel was zu sagen haben - oder nicht? Person muss Titel ja nicht führen - das machen viele auch so. Und mensch bleibt übrig - mit Menschenrechten usw. Andernfalls spielt die titeltragende Person (ist das ausreichend gegendert??) denen in die Hände, diein der "x"-Sache bloß den Versuch sehen, mit den eigenen Aktivitäten in jedem Fall wahrgenommen zu werden - "besser schlechte Presse als gar keine".

  • Ein bisschen bewusster Sprachgebrauch darf schon sein. Man kann beim Schreiben von Texten gerne mal zwischen männlicher und weiblicher Form wechseln, wenn das Geschlecht keine Rolle spielt. Man kann zum Beispiel zwischen "Redner" und "Rednerin", zwischen "Beamtem" und "Beamtin" wechseln. Die Betonung liegt hierbei aber auf "wechseln". Nur noch die weibliche Form zu benutzen wäre auch kontraproduktiv.

     

    Diejenigen, denen das Binnen-I nicht liegt, die können auch auf geklammerte Formen ausweichen, und zum Beispiel "Fahrer(innen)" schreiben. Auch Verbalsubstantive ("Studierende") sind eine gute Lösung, die sich mehr und mehr durchsetzen, und die keinerlei sprachliche Verrenkungen mit sich ziehen.

     

    Dasselbe kann man allerdings von absurden Formen wie Professx nicht behaupten -- aus dem einfachen Grund, weil man das nicht aussprechen kann. In einem aktuellen Artikel benutzt Frau Hornscheidt sogar statt dem Fragepronomen "wer" die Form "wex", unter der irrigen Annahme, dass "wer" maskulinum sei. Ich glaube, mit solchen Kindereien macht man sich vor allem lächerlich und erzielt genau den gegenteiligen Effekt, den man anstrebt, weil es dann nur wieder heißt "beklopptex Feministx".

  • Statt "x" kann man auch einfach "dingen" nehmen. Etwa:

     

    Rektordingen, Leserdingen, Rettungsfahrerdingen, Feuerwehrdingen, Arztdingen, Journalistdingen. Durch das Suffix spart man sich auch geschlechterspezifische Artikel und kann immer nur "das" einsetzen. Das Manndingen, das Fraudingen, das Tellerdingen, das Fallschirmspringerdingen, das Forenbenutzerdingen, das Politikerdingen, das Schwachsinnquatschdingen.

  • sollte es nicht eher "professox" heissen? (schon wegen der sprechbarkeit)

    ...und an herrn busch: das x ist auch in der physisch grundlegenden genetik das mass aller dinge - unabdingbare lebensgrundlage sozusagen. das y wird sich in diesem zusammenhang tendenziell wohl eher wieder "männlich" fühlen wollen (xy).