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Die StreitfrageIst Sitzen das neue Rauchen?

Bequemlichkeit tut gut. Aber sie wird immer mehr als Laster gesehen – und von Krankenkassen auch so behandelt. Ist das fair?

Apples Smartwatch: Sagt dem Träger, wann er aufstehen und sich bewegen sollte Bild: dpa

Entspannen am See? Die Seele baumeln lassen? Ja unbedingt! An sich sei Müßiggang nicht die Wurzel allen Übels, meinte der dänische Philosoph Sören Kierkegaard. Im Gegenteil, Müßiggang sei ein Garant für ein „geradezu göttliches Leben, solange man sich nicht langweilt.“

Ein wenig Bequemlichkeit tut gut. Einige Ärzte und Vertreter von Krankenkassen wenden jedoch ein, dass viele Leute zu viel Müßiggang hätten und sich zu wenig bewegten. Bewegungsmangel sei aber oft ein Grund für Krankheiten und Übergewicht.

Die Krankenkassen setzen auf Vorsorge, um die Kosten zu dämpfen und versuchen ihre Versicherer zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren. Wer sich mehr bewegt, wer gesünder lebt, wird von ihnen belohnt. Die AOK Nordost bietet in Kooperation mit dem Start-Up Dacadoo eine Gesundheitsapp an. Man kann mitstoppen, wenn man Sport macht und eingeben, wie gestresst man sich fühlt. Und Essenstipps erhalten die Nutzer auch.

Nun kommt demnächst die Smartwatch mit einem eingebauten „Health-Kit“von Apple auf den Markt. Müßiggänger sollen durch eine Vibration der Smartwatch am Handgelenkt aufgefordert werden, sich mehr zu bewegen, wenn sie lange rumgesessen sind. Das neue Gadget hat also eine integrierte Überwachungsfunktion, die als gesundheitsfördernder Fortschritt vermarktet wird.

Denn die Datenspur, die die Smartwatch damit ermöglicht, spielt den Krankenkassen möglicherweise in die Hände. Auch in Unternehmen ist die Schrittzählerei bereits populär. Der international vernetzte „Global Coorperate Challenge“ animiert MitarbeiterInnen von inzwischen über tausend Unternehmen, jeden Tag 10.000 Schritte zu gehen – dank Schrittzähler ist sowas zu kontrollieren.

Waren es zuletzt die Leute, die rauchen, denen ihr Laster angekreidet wurde, könnte es demnächst also die Müßiggänger und Müßiggängerinnen treffen. Denn in Zukunft könnte durch die neuesten technischen Entwicklungen eine schlechte Gesundheit auf zu wenig Bewegung zurückgeführt werden.

Ist Sitzen das neue Rauchen? Was denken Sie?

Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom 18./19. April 2015. Ihr prägnantes Statement sollte nicht mehr als 400 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns bis Mittwoch Abend eine Mail an: streit@taz.de

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5 Kommentare

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  • Was ist das denn für ein Blödsinn ! ? Werden die Bürohengste und Sesselfurzer nicht auch für's sitzen bezahlt?

  • Da ist halt überall die Kontrolle und damit der Zwang zuvorderst dabei - ob's das besser macht?

  • So viel zur anonymen Erhebung von Daten über Fitness-Apps in Ihrem anderen Artikel.

    http://www.taz.de/Auswertung-von-Gesundheits-Apps/!158151/

  • Zuviel Sitzen ist kein Problem für raucher: Alle zwanzig Minuten vor die Tür, das bringt locker die 10.000 Schritte am tag ...

  • Auch beim Apresski bitteschön nur noch den Deckel in Bar bezahlen, solange das noch geht. Und dann erst das Internet der Dinge: der Kühlschrank schreibt dem Hausarzt eine Email, weil schon wieder Torte und Schokopudding eingelagert sind, bei metabolischem Syndrom. Datamining ist auch was für Krankenkassen, nicht nur für Google und NSA und BND. Wir sind mitten in der Computergesellschaft. Es geht nicht mehr nur um Reden und Schweigen oder Geltung von Kommunikation oder die Zunahme des Verweisungszusammenhangs, sondern um Kontrollüberschuß bei Datensätzen und ihrer Rekombinierbarkeit. Und dadurch erst wird Sitzen zum neuen Rauchen. Wir haben immer noch ein Grundgesetz. Und Denktraditionen. Es gab auch mal Intransparenzschutz. Aber das alles verkaufen wir gerade für ein Linsengericht an Übersee. Deshalb gehört der Dame und ihrer Clique, für die das Internet immer noch Neuland ist, auf die Finger gehaut. Und wenn Sitzen im Zazen abgelöst wird durch den Vergleich des Bewegungsaccounts auf Facebook durch die Daisy Duck Frauen, dann fang ich an, meinen Starbuckskaffee mit Mariacron aus der Taschenflasche zu verschönern.