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Die Strähne

Der große Beau Bryan Ferry lädt zur Zeitreise in die 30er  ■ Von Oliver Rohlf

Männer der Tat sehen wirklich anders aus. Wer kennt sie nicht, die Macher mit dem Karo-Hemd im Herzen. Menschen, die „Na, klar!“ sagen, losgehen und praktische Dinge erledigen. Bryan Ferry wirkt unter solchen Geschöpfen wie einer von einem anderen, weit entfernten und sehr stillen Stern. Und müsste Ferry eine typische Handbewegung machen, würd er wahrscheinlich eine Haarsträhne zurecht legen statt einen Hammer in die Hand zu nehmen.

Viele nennen solch einen Habitus „dandyesk“, besonders, wenn ein maßgeschneiderter Anzug ihn schmückt. Damit ist jenes leicht ergraute Ästhetikum aus demonstrativer Eleganz, melancholischer Pose und schleichenden Songs gemeint, das dem großen Beau seit fast 30 Jahren zugeschrieben wird. Und da passt es wunderbar ins Pop-Panorama, dass die ehemalige Roxy Music-Glamourtante mit As Time Goes By ein Album veröffentlichte, auf dem der 54jährige Schöngeist 15 alte Standarts aus dem 30ern neu eingesungen hat. Kompositionen von Cole Porter, Kurt Weill und alle so richtig mit Billy Holiday-Appeal, Teddy Wilson-Piano und leise wischenden Drum-Streicheleien. Das ideale Weihnachtsalbum.

Für den einstigen Studenten der fine arts ist diese Rückbesinnung allerdings ein samtener Kniefall vor dem Prinzip Schönheit, Romantik und Liebeslied. Und das in einer Zeit, in der die großen, aktuellen Balladen stets so klingen, als wären sie beim Untergang der Titanic geschrieben worden. Die Welt soll also ein bisschen leiser tönen, will sie zum Schönen zurück. Nichts Neues also mit nicht neuen Songs, und das alles noch von einem Mann „in den besten Jahren“! Altherren-Noblesse, ick hör dir trappsen.

Doch Bryan Ferry heißt nicht George Michael, der auf seinen Songs From The Last Century Popklassiker um der Eleganz willen an den Bartresen nagelte. Der Unterschied ist eklatant: Michael säte Pop, wollte Jazz und erntete den Kitsch. Ferry aber unternahm die Zeitreise, um sich etwaigen Erwartungshaltungen an ein reguläres Album zu entziehen und um zu zeigen, dass die alten, in klarer Arbeitsteilung komponierten Lieder trotzdem so etwas wie Romantik transportieren können. Ferry meint das ganz ernst. Das tragische Liebeslied, jener Pop Noir, bei dem immer alles vorbei und ein sinierender Mann mit Zigarette das einzige Überbleibsel scheint, ist das ewige Thema dieses sinierenden Manns mit Zigarette.

Dass sich Bryan Ferry in seiner Denkerhaltung immer in Salon-Nähe wähnt, liegt in dem traditionelen Wunsch nach der Bar als letztem öffentlichen Ort der Melancholie. Zugegebenermaßen ein sehr leicht zugängliches Moment: Einsam unter vielen und alle können zusehen. Aber darin liegt die Kraft des Dandys: Sein oder Pose? Im Zweifelsfall plädieren die meis-ten für das Sein, besonders wenn es draußen regnet. In diesem Fall sind Balladen heraus gekommen, die funktionieren, obwohl Ferry sie singt. Und das adelt den Song wie den Sänger. George Michaels Stimme kennnt keine wirkliche Zerbrechlichkeit, Ferrys Organ kann gar nicht anders.

Das ist besonders live manchmal ganz schön nach hinten losgegangen, auf As Time Goes By aber gehen das Leise und das Fragile eine gute nostalgische Liason ein. Der Rest ist eine Glaubensfrage.

mit E'velyn: Di, 29. Februar, 20 Uhr, CCH2 (bereits ausverkauft!)

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