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■ Die Steuerreform gerät immer mehr unter Druck von LobbyistenDie falsche Richtung

Der große Wurf war sie von Anfang an nicht, die Steuerreform, von Politikern der SPD und den Grünen auch gerne „die Große“ genannt. Energiekosten ein bißchen teurer, dafür die Kosten der Arbeit ein bißchen gesenkt, die unteren Einkommen entlastet, Familien mit Kindern ein bißchen mehr, na ja, besser als bisher mag's schon sein. Ein Vorzug war der Steuerreform aber nicht zu nehmen: Sie war solide finanziert. Entlastungen und Belastungen gehen Hand in Hand, die geplante volle Nettoentlastung in Höhe von bescheidenen zehn Milliarden Mark kommt erst in vier Jahren zum Tragen. Die SPD hatte bewiesen, daß sie nicht aus wahltaktischen Gründen, sondern aus Überzeugung das Konzept Kohls ablehnte, das eine Nettoentlastung von 30 Milliarden Mark vorsah.

Nun ist aber auch die Solidität der „kleinen“ Steuerreform in Gefahr. Fast täglich lassen sich die Sozialdemokraten von den unterschiedlichsten Lobbygruppen Bausteine aus der Steuerreform herausbrechen. Die Landwirte sollen ihre Steuervergünstigungen behalten, ebenso die Arbeitnehmer beim Verkauf von Jahreswagen, und außerdem steht ja noch das Wort von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Raum, beim Mittelstand nachzubessern. Die Grünen müssen fassungslos zusehen, wie die SPD aus Rücksicht auf Interessengruppen die Gegenfinanzierung für die gemeinsam vereinbarte Steuerreform zerbröseln läßt.

Dadurch erscheinen auch die Vorstöße von Finanzminister Oskar Lafontaine, gegebenenfalls die Verschuldung zu erhöhen und die Leitzinsen zu senken, in einem anderen Licht. Ursprünglich begründete Lafontaine eine eventuelle Neuverschuldung damit, daß die alte Bundesregierung ein Milliardenloch hinterlassen habe. Nun sieht es aber so aus, als müsse die SPD durch eine Neuverschuldung kaschieren, daß sie nicht in der Lage ist, eine solide Steuerreform hinzubekommen. Und die Senkung der Leitzinsen erscheint als Mittel, um mehr Geld für weitere Segnungen des Klientels in der Kasse zu haben. Denn von niedrigeren Zinsen profitiert in erster Linie der größte Schuldenmacher – der Staat.

Die SPD kommt durch ihre Nachbesserungen immer mehr von dem an sich als richtig erkannten Weg ab, so viele Vergünstigungen wie möglich zu streichen, um im Gegenzug die Steuersätze auf breiter Front senken zu können. Je mehr Interessengruppen sich durchsetzen, desto mehr werden ermutigt, ebenfalls um ihre Privilegien zu kämpfen. Zu kurz kommen dabei jene, die keine Lobby haben. Und das ist alles andere als sozial. Markus Franz

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