: Die Spur des Parasiten
Robert Kusmirowskis erfundene Studien im Kunstverein
Eine alte Industriebaracke versperrt den Weg. Eine Sackgasse. In dämmrigem Licht zeigt sich eine hohe, schäbig verputzte Wand, dann eine zentrale Tür mit kleiner Lampe. Nur erleuchtete, verstaubte Fenster weisen den Weg ins Innere.
Der polnische Künstler Robert Kusmirowski zeigt die Installation „The Ornaments of Anatomy“ zum Auftakt der Ausstellungsreihe „neue produktion : new production“ in der unteren Galerie des Kunstvereins. Hinter der verschlossenen Barackentür scheint das düstere Studierzimmer eines Arztes mit Bibliothek. Dort wird der Mensch ergründet.
Der Künstler im Alter Ego namens Dr. Vernier performte hier zur Eröffnung, saß still vor seinem Notizbuch. Löcher ins Haar geschoren und seinen Unterkiefer verkrampfend, verbrachte er den Abend am Schreibtisch und notierte seine medizinischen Experimente. Die Niederschrift verblieb und legt eine Spur zum Geschehen.
Der 1973 geborene Künstler hat seine Bildhauerausbildung 2003 an der Akademie in Lublin beendet und ist auf einem alten Wolberg-Fahrrad über Paris und Luxembourg nach Leipzig getourt. Die Dokumention seiner Fahrt präsentierte er als historische Relikte. Von ihm hergestellte Imitate. Auch das ausgestellte Gefährt war ein Nachbau aus Papier. Ein angefertigtes ready-made Objekt.
Doch Kusmirowski unterläuft den Anschein der Authentizität, indem er nachgeahmte Materialien benutzt. Der Schein des Alltags wird so zur Kunst und erfährt durch Kusmirowskis handwerkliche Finesse eine zusätzliche Wendung. Duchamps Erfindung wird hier ins Absurde geführt: Oberflächen werden vorgetäuscht und erschaffen atmosphärische Räume wie Stillleben. Ein Mimikry-Spiel.
Auch im Kunstverein besteht die Installation aus von Kusmirowski gefundenen und gefertigten alten Teilen. Geschickt installiert er im White Cube seine Spuren wie ein Parasit. Für eine Stimmung benötigte Teile werden davon befallen. Doch ohne den Künstler bleibt der Raum aus Zitaten letztlich leer. Das Geheimnis des Dr. Vernier enthüllt sich nicht. Torsten Bruch
Di–So 11–18, Do bis 21 Uhr, Kunstverein; bis 3.4.