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Die Spendenaffäre ist nicht bei allen Parteien ThemaSchweigsame Grüne

Die Talfahrt der CDU ist noch nicht vorbei, die SPD steht gut da, und seit nun endlich immerhin eine von mehreren Meinungsumfragen einen Wiedereinzug von Bündnis 90/Die Grünen in den Landtag von Schleswig-Holstein vorhergesagt hat, sieht sich deren regionale Führungsspitze in ihrem Optimismus „bestätigt“. Es ist nicht zu fassen. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik haben so große Teile der Bevölkerung eine derart angeekelte Distanz gegenüber den Parteien insgesamt erkennen lassen wie in den vergangenen Wochen. Und wie reagieren die gewählten Volksvertreter? Sie geruhen, die Stimmung im Lande nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Jürgen Rüttgers hat gefordert, alle Parteien müssten Macht abgeben. Allzu weit hätten sie in der Vergangenheit ihren Einfluss ausgedehnt. Aber ein CDU-Politiker wirkt mit derlei Äußerungen derzeit wenig überzeugend, und auf Unterstützung aus anderen Lagern kann er nicht rechnen. Noch immer gilt die Spendenaffäre der CDU den meisten Berufspolitikern als Problem ausschließlich dieser Partei. SPD und Grüne betonen auch weiterhin, von Staatskrise könne keine Rede sein.

Nein? Auf 33 Prozent ist der jüngsten bundesweiten Umfrage des Bonner Dimap-Instituts zufolge die Zahl der „Nichtwähler“ gestiegen. 33 Prozent! Ein Drittel der Wahlberechtigten! Da die CDU auf über 30 Prozent der Stimmen käme, bedarf es keiner allzu komplizierten Berechnungen für die Erkenntnis, dass es sich bei diesen Nichtwählern nicht ausschließlich um enttäuschte Anhänger der Konservativen handeln kann. Auch wenn viele der Befragten es sich bis zum Wahltag noch anders überlegen mögen, bleiben die Zahlen alarmierend. Sie alarmieren aber niemanden. Wie eh und je interessieren sich die Parteien ausschließlich dafür, wie sie im Vergleich zu ihren unmittelbaren Konkurrenten dastehen. Der Abstand zwischen Regierenden und Regierten wächst ebenso beständig wie die parteiübergreifende Gleichgültigkeit dieser Tatsache gegenüber.

Für die SPD mag es immerhin einleuchtende Gründe geben, warum sie sich bislang allen Forderungen nach grundlegenden Veränderungen der Parteienfinanzierung verschließt, wie sie neben anderen Altbundeskanzler Helmut Schmidt erhoben hat, und warum sie das Parteiengesetz nicht in seiner Substanz ändern will. Die große Regierungspartei kann hoffen, dass die Affäre ihre Macht stabilisiert, und sie wird infolge der Ereignisse finanziell vermutlich bald besser dastehen als die Union. Warum an die Verhältnisse rühren, wenn doch alles so gut läuft?

Für ihren kleineren Koalitionspartner aber läuft es nicht besonders gut. Die Partei, die einmal angetreten war, um verkrustete Machtstrukturen aufzubrechen und mehr demokratische Transparenz in der Politik durchzusetzen, hat in der Wählergunst von der Spendenaffäre kaum profitiert. Dafür gibt es Gründe. Seit einem Vierteljahr diskutiert die ganze Republik über den Skandal. Die ganze Republik – mit Ausnahme der Grünen. Außer einigen pflichtschuldigen Sätzen der Empörung war von der Parteiprominenz zum Thema bislang kaum etwas zu hören. Die Sorge, der SPD könne irgendeine politische Äußerung ihres Juniorpartners missfallen, hat die Partei schon bei anderen Gelegenheiten verstummen lassen. Offenbar zu oft. Denn inzwischen hat sich die Öffentlichkeit an das Schweigen der Grünen gewöhnt. Zahlreiche Leitartikel haben sich mit der Frage befasst, ob, wann und wie der Bundespräsident sich äußern sollte. Die Zurückhaltung der einstigen Reformpartei fällt hingegen kaum noch auf.

Nach dem schwierigen Wahlkampf und dem missglückten Start der rot-grünen Bundesregierung haben die Grünen sich in besonderem Maße der Aufgabe verschrieben, Einigkeit zu demonstrieren und mit einer Stimme zu sprechen. Oder, noch besser, vorsichtshalber gar nicht zu sprechen. Nun sage aber niemand, die Partei hielte ihre Traditionen nicht in Ehren: hat doch gerade erst der Bundesfrauenrat beschlossen, geplante Strukturänderungen bezogen auf die Trennung von Amt und Mandat auf dem Parteitag im März abzulehnen. Es dürfe nicht zu viel Macht in zu wenigen Händen konzentriert werden. Vor dem Hintergrund dessen, was sich gegenwärtig in Deutschland abspielt, ist das ein wirklich niedlicher Beschluss. Bettina Gaus

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